Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Der Druck auf Salihamidzic nimmt zu
Leicht war es für den Ex-profi als Sportvorstand des FC Bayern München nie. Im Lewandowski-wirbel steht der Bosnier nun mehr denn je in der Kritik.
(dpa) Hasan Salihamidzic stand im Münchner Meistertrubel nur wenige Meter von Uli Hoeneß entfernt, als dieser ihn mit Vehemenz gegen Kritik verteidigte. Im Wirbel um Weltfußballer Robert Lewandowski hat auch der Druck auf den Sportvorstand zugenommen. Die heikle und höchst kostspielige Stürmerfrage ist zu einer Management-prüfung geworden, deren Ausgang für das Image von Salihamidzic prägend sein könnte.
Hoeneß (70) machte eine „Hetzjagd“gegen den vor fünf Jahren als Sportdirektor angestellten Bosnier aus. Neben aller Rückendeckung kündigte der Ehrenpräsident aber an, dass die Kritik an Salihamidzic (45) und Vorstandschef Oliver Kahn (52) auch intern thematisiert werden wird. „Die Verantwortlichen, ich bin ja Aufsichtsrat, werden es da besprechen, wo es notwendig ist, nämlich im Gremium“, sagte er.
Hoeneß und der langjährige Vorstandschef Karl-heinz Rummenigge waren es, die Salihamidzic im Sommer 2017 ins Management beförderten. Die Bayern-alphatiere, die zusammen auf einer Pr-tour des Klubs in Asien unterwegs waren, suchten schon länger nach einem Ausweg aus der Sackgasse bei der Besetzung des Sportdirektorpostens – und überraschten mit dem damaligen Markenbotschafter. Hoeneß sah bei Salihamidzic schon zu dessen Zeit als Sportdirektor einen „Gang durchs Stahlbad“. Hart ist es auch jetzt, zwei Jahre nachdem er zum Sportvorstand ernannt wurde.
Seit jeher wird kontrovers über dessen Transferarbeit diskutiert. „Dass sich nicht alle Spieler gleichermaßen durchsetzen, das war auch früher so. Insgesamt finde ich, dass Hasan einen sehr guten Job macht“, sagte Präsident und Aufsichtsratschef Herbert Hainer in der „Süddeutschen Zeitung“. In die Amtszeit von Salihamidzic fallen die drei teuersten Einkäufe der Klub-geschichte: Lucas Hernández (rund 80 Millionen Euro Ablöse), Leroy Sané (60) und Dayot Upamecano (42,5). Ein wahres Schnäppchen war dagegen Alphonso Davies, den Salihamidzic für geschätzte zehn Millionen Euro aus Vancouver holte.
Es gibt aber auch eine Reihe von zum Teil für einige Millionen Euro verpflichtete Spieler, die sich nicht als bayern-tauglich erwiesen: Michaël Cuisance, Fiete Arp, Marc Roca, Bouna Sarr oder Omar Richards. Schmerzhaft waren zudem ablösefreie Abgänge, wie die von David Alaba (Real Madrid) und Niklas Süle (Borussia Dortmund).
„Als wir sechs Titel gewonnen haben, habe ich keinen gehört, der gerufen hat: ‚Hasan, Hasan!‘ Jetzt, wo wir die Champions League nicht gewinnen, ist er alleine schuld. Das kann nicht sein“, wetterte Hoeneß. „Er ist nicht allein verantwortlich für die Transferpolitik.“Aber ein Sportvorstand wird eben im Fußball-business als erster an Tops und
Flops gemessen.
Salihamidzic wies wiederholt auf finanzielle Zwänge hin, wodurch auch nicht alle Wünsche von Julian Nagelsmann erfüllt werden können. „Wir haben einige Verträge verlängert. Wir haben versucht, den Kern der Mannschaft zu halten“, sagte Salihamidzic. „Wir geben alles, wir haben auch Grenzen.“
Die Einnahmen-ausfälle durch die Corona-pandemie bezifferte Hainer zuletzt einmal auf 150 bis 200 Millionen Euro. Trotzdem soll Salihamidzic dem Vernehmen nach lange um den Mega-transfer von BVBStar Erling Haaland (21) gekämpft haben. Dass diese Nachricht Lewandowski (33) nicht schmeckte, überrascht nicht.