Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kalenderblatt
19.05.1983
Chemie-unglück: Fässer tauchen wieder auf
In ganz Europa suchte man nach den verschwundenen Fässern von Seveso.
Es handelte sich um 41 Fässer, gefüllt mit einer der giftigsten Chemikalien, die in der Chemieindustrie anfallen: TCDD, kurz auch Dioxin genannt. In Seveso, einer kleinen Gemeinde in Norditalien, war es im Jahr 1976 zu einem Chemieunfall gekommen, bei dem TCDD in großen Mengen in die Natur freigegeben wurde. Zahlreiche Einwohner der Region litten nach der Katastrophe unter der sogenannten Chlor-akne, dem augenfälligsten Symptom einer Tcdd-vergiftung. Tausende Tiere starben, die Natur war über Jahre verseucht. Die Aufräumarbeiten, bei denen Felder, Böden und Gebäude dekontaminiert werden mussten, dauerten Jahre. Erst sechs Jahre nach dem Unfall begannen die Arbeiten an dem Reaktor, in dem das Unglück geschehen war. Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen wurde der hochtoxische Inhalt in 41 Fässer gefüllt, die nach Frankreich gebracht werden sollten. Doch auf der Fahrt verlor sich die Spur der gefährlichen Fracht. Sieben Monate lang blieben die Seveso-fässer verschwunden. Überall suchten die Behörden nach ihnen, die Presse in ganz Europa berichtete. Am 19. Mai 1983 tauchte der Giftmüll wieder auf: in einem alten Schlachthof in einem kleinen Dorf in Nordfrankreich. Dem Unternehmer hatte man wohl gesagt, es handle sich um Teerabfälle. Bis heute gibt es zahlreiche Spekulationen rund um die Fässer und ihr rätselhaftes Verschwinden. Offiziell wurden die Behälter später in einer speziellen Anlage verbrannt. Doch es halten sich Gerüchte, dass sie noch heute irgendwo auf einer Deponie liegen.