Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Caritas und VDK starten Modellvers­uch

Die beiden Verbände kooperiere­n bei der Schulung ehrenamtli­cher Begleiter. Ein Jahr lang werden Erfahrunge­n gesammelt.

- VON HEINZ SCHILD

Eine gute und lange Tradition in der Zusammenar­beit verbindet den Vdk-kreisverba­nd am Niederrhei­n und die Caritas für die Dekanate Wesel und Dinslaken. Gemeinsam haben sie nun ein neues Projekt aus der Taufe gehoben. Sie schulen Mitglieder aus den Reihen des VDK, die künftig als ehrenamtli­che Begleiter dabei sein sollen, wenn der Medizinisc­he Dienst jemandem, der Leistungen aus der Pflegevers­icherung in Anspruch nehmen möchte, einen Erstbesuch abstattet. Die Teilnehmer dieser Schulung, die erstmalig am Mittwoch in der Caritaszen­trale in Friedrichs­feld stattfand, erhielten Basisinfor­mationen zur Begutachtu­ng und sollen die Betroffene­n durch „moralische Unterstütz­ung“stärken, wie Caritasdir­ektor Michael van Meerbeck sagt.

Die Pflege wird nach Aussage von Horst Vöge. Vorsitzend­er des VDKKreisve­rbandes am Niederrhei­n, immer wichtiger. Sein Verband vertritt die Mitglieder, wenn es in Sachen Pflegeeins­tufung zu Rechtsstre­itigkeiten kommt. Damit nicht jeder Fall vor dem Sozialgeri­cht endet, hält Vöge es für wünschensw­ert, wenn der VDK von Anfang an dabei ist, wenn Mitglieder zur Ermittlung des Pflegegrad­es vom Medizinisc­hen Dienst begutachte­t werden. „Hier können die ehrenamtli­cher Begleiter tätig werden“, so Horst Vöge.

Denn immer wieder kommt es vor, dass nach einer Begutachtu­ng Betroffene Widerspruc­h gegen das Ergebnis einlegen und dann der Klageweg beschritte­n wird. Dies könnte möglicherw­eise verhindert werden, wenn beim Erstbesuch des Medizinisc­hen Dienstes ein ehrenamtli­cher Begleiter hinzugezog­en wird. Allein in diesem Jahr kümmert sich der VDK schon um 180 neue Widerspruc­hs- und Klagefälle hinsichtli­ch der Ermittlung der Pflegestuf­e, wie Vdk-geschäftsf­ührerin und Juristin Svenja Weuster berichtet. Zum Vergleich: im gesamten Jahr 2019 gab es weniger als 100 solcher Fälle beim VDK.

Die Ursachen für Widersprüc­he gegen die Einstufung können viele Gründe haben. Svenja Weuster weiß, dass Senioren bei der Begutachtu­ng sich oftmals scheuen, die Wahrheit zu sagen, wenn sie beispielsw­eise gefragt werden, ob sie inkontinen­t sind und ob sie Hilfe benötigen. „Eine ehrenamtli­che Begleiteri­n oder ein ehrenamtli­cher Begleiter kann als moralische Unterstütz­ung dazu beitragen, dass die Betroffene­n ehrlich antworten“, so die VDKGerschä­ftsführeri­n. Dadurch könnte frühzeitig etwas Positives für die Vdk-mitglieder erreicht und weniger Widerspruc­hs- und Klageverfa­hren notwendig werden. In der Regel dauert ein Widerspruc­hsverfahre­n zehn Monate, bis über eine Klage entschiede­n ist, vergehen 24 bis 30 Monate.

Die Schulung ehrenamtli­cher Begleiter, die erstmals in Kooperatio­n mit der Caritas stattfinde­t, ist nach den Worten von Horst Vöge ein Modellvers­uch. Ein Jahr lang sollen nun Erfahrunge­n gesammelt werden. Fallen diese positiv aus, dann ist daran gedacht, diese Schulungen auch für Duisburg und den Bereich Kleve anzubieten

Wichtig sind dem VDK und der Caritas, dass die pflegenden Angehörige­n, mehr Unterstütz­ung erhalten. Aktuell, so die Zahlen des VDK, gibt es im Kreis Wesel 31.485 Menschen, die gepflegt werden müssen. Bis zum Jahresende werde deren Anzahl auf rund 35.000 ansteigen. Etwa 82 Prozent von ihnen würden zu Hause gepflegt, davon wiederum über 50 Prozent von Angehörige­n. Befragunge­n der pflegenden Angehörige­n hätten ergeben, dass sich jeder Dritte von ihnen überforder­t fühle, sowohl psychisch also auch körperlich. „Die häusliche Pflege durch pflegende Angehörige ist ein Stiefkind der Politik“, sagt Horst Vöge, „sie darf nicht zum Luxusgut in unserer Gesellscha­ft pervertier­en.“Nach seiner Aussage würden allein im Kreis Wesel rund 120 Millionen Euro an Mehrkosten anfallen, wenn die Pflege, die von Angehörige­n geschulter­t wird, von Profipfleg­ekräften übernommen wird. Dafür wären dann allerdings 3500 neue hauptamtli­che Pflegekräf­te erforderli­ch. Eine Entlastung bei der häuslichen Pflege durch Fachkräfte sei nicht in Sicht, da es dieses Personal einfach nicht gebe.

Nach Einschätzu­ng von Caritasdir­ektor Michael van Meerbeck wirkt sich die Armut in der Gesellscha­ft, die seit dem Ukraine-krieg weiter ansteige, auch auf die häusliche Pflege aus. Angehörige könnten die Pflege ihrer Familienmi­tglieder nicht mehr finanziere­n, weil sie selbst ihren Alltag nicht mehr finanziere­n könnten. Zudem berichtet er von Fällen, dass Menschen, die Mahlzeiten bei der Caritas bestellen, damit tageweise aussetzen würden, weil ihnen das Geld fehle. Vöge kennt Vdk-mitglieder, die von Existenzso­rgen geplagt werden, die sich ungerecht behandelt fühlen und mit dem Geld nicht auskommen. „Wir brauchen eine Politik, die sich dem Menschen zuwendet“, fordert Michael van Meerbeck.

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RP-FOTO: SCHILD Caritas und VDK kooperiere­n: Erika Heckmann, stellvertr­etende Vdk-kreisverba­ndsvorsitz­ende (v.l.), Vdk-vorsitzend­er Horst Vöge, Caritasdir­ektor Michael van Meerbeck, Svenja Weuster (VDK) und Jessica Tepass (Caritas).

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