Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Leipzig feiert den ersten großen Titel

RB kämpft sich zurück und gewinnt im Elfmetersc­hießen den Dfb-pokal – Gegner Freiburg dafür die Herzen der Fans.

- VON CHRISTOPH LOTHER, FRANK KASTNER UND DAVID LANGENBEIN

(dpa) Domenico Tedesco wurde von seinen Spielern mit Bier überschütt­et, Christian Streich von den Fans mit Ovationen. Als Gewinner verließ nach dem Elfmeterkr­imi im Dfb-pokal-finale zwar nur der Trainer von RB Leipzig das Berliner Olympiasta­dion. Sein Kollege vom SC Freiburg war aber nicht weniger stolz – und bewertete die Unterstütz­ung durch die Anhänger sogar höher als die Trophäe.

„Ich bin überglückl­ich“, sagte Tedesco nach dem ersten großen Titel der Leipziger in ihrer erst 13-jährigen Klubhistor­ie. Der Coach verspürte auch „Erleichter­ung“. Wegen seiner Entstehung­sgeschicht­e mit Geldgeber Red Bull im Rücken hatte der Fußball-bundesligi­st insbesonde­re in den Tagen vor dem Finale wieder viel Kritik aus der aktiven Fanszene einstecken müssen. Nicht wenige Fans bundesweit hätten die Sachsen nach den verlorenen Pokal-endspielen 2019 und 2021 gerne ein weiteres Mal scheitern gesehen. Trotz langer Unterzahl und dank großer Mentalität schnappte sich RB diesmal aber den Pott.

Die Gratulatio­nen aus der Liga hielten sich anschließe­nd in Grenzen. Vom Vorstandsc­hef des FC Bayern München, Oliver Kahn, gab es eine. „Wir sehen uns im Supercup!“, schrieb er bei Twitter. Von einer Person auf der Freiburger Bank habe ihm nach dem Platzverwe­is während des Spiels kurzzeitig sogar „purer Hass“entgegen geschlagen, erzählte Tedesco.

Mit 4:2 gewannen die Leipziger, die allesamt sicher verwandelt­en, am Samstagabe­nd das Elfmetersc­hießen. Freiburgs Christian Günter und Ermedin Demirovic vergaben. Nachdem er durch Maximilian Eggestein (19. Minute) in Führung gegangen war und Rb-verteidige­r Marcel Halstenber­g wegen einer Notbremse Rot gesehen hatte (57.), verpasste es der Sport-club, den Sack zuzumachen. Stattdesse­n kassierte er in Überzahl den Ausgleich durch Christophe­r Nkunku (76.) und musste sich nach drei Aluminium-treffern in der Verlängeru­ng noch geschlagen geben.

Wie schon im Rennen um die Champions-league-plätze in der Liga hatte Freiburg gegen RB wieder das Nachsehen. Eine laut Streich „wahnsinnig tolle Saison“, in der sich der SC aber immerhin für die Europa League und erstmals für das Pokalfinal­e qualifizie­rte, endete mit der dritten Pflichtspi­el-niederlage in Serie. Das werde womöglich noch „brutal weh tun“, prophezeit­e der Coach. Zunächst war er aber stolz.

„Es war so toll mit den Leuten, was hier alles abgegangen ist“, sagte Streich, der mit seiner Mannschaft vom rot gekleidete­n Menschenme­er in der Ostkurve noch lange nach dem Spiel mit Sprechchör­en gefeiert worden war. „Wie sich die Fans aufgeführt haben in der Stadt – 30.000 und total friedlich. Wenn wir das bewahren könnten in diesem Verein, das wäre mein größter Wunsch. Da verzichte ich auch gerne auf einen Pokalsieg, auch wenn es mir schwerfäll­t.“

Beide Klubs feierten in der Nacht zum Sonntag in eigens angemietet­en Eventlocat­ions in der Beliner Innenstadt, ehe sie die Heimreise antraten um sich in die Goldenen Bücher ihrer Städte einzutrage­n. Im Stadion war der Leipziger Jubel am Samstag unterbroch­en worden, als ein Mann kurz nach dem Spiel nahe der Fotografen­tribüne reanimiert werden musste. Fast 20 Minuten herrschte gespenstis­che Atmosphäre im weiten Rund, ehe vorsichtig­e Entwarnung folgte: Der Patient sei laut Stadionspr­echer „stabil“– und wurde unter dem Applaus der Zuschauer aus der Arena gebracht.

Auf eine „richtig geile Party“freute sich Rb-boss Oliver Mintzlaff nachdem die Feierlichk­eiten allmählich wieder angerollt waren. „Alles schwer zu begreifen, ich habe eigentlich keine Worte für das Spiel, ich bin unheimlich stolz, ich weine normalerwe­ise nicht, aber nach dem letzten Elfmeter habe ich einfach nur geweint nach den Emotionen“, sagte Offensivma­nn Emil Forsberg, der nach seiner Auswechslu­ng zusammen mit Teamkolleg­e Kevin Kampl den Anpeitsche­r auf der Leipziger Bank gespielt hatte.

Kapitän und Torhüter Péter Gulácsi, der genau wie Forsberg schon bei den Final-niederlage­n gegen die Bayern und Borussia Dortmund dabei war, nannte den gelungenen Saisonabsc­hluss einen „unglaublic­h schönen Moment“. In der Liga hatten sich die Leipziger gerade noch in die Königsklas­se gerettet. Nach dem Halbfinal-k.o. in der Europa League wäre eine Pleite in Berlin ein herber Schlag für den Klub gewesen. „Der Teamspirit, den wir gezeigt haben, war außergewöh­nlich“, meinte Gulácsi. Abwehrchef Willi Orban, ebenfalls schon seit 2015 bei RB, sagte: „Wir haben Geschichte geschriebe­n. Ich hoffe, das war nur der Anfang.“

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FOTO: MICHAEL SOHN/AP Leipzigs Spieler feiern den Sieg im Dfb-pokal. Torhüter und Rb-kapitän Peter Gulasci hebt die Trophäe hoch.

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