Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Unscheinbare Menschen, genauer betrachtet
Der Frankfurter Journalist, legendäre Sport-reporter, Fußball-fan und Autor vielseitiger Sachbücher Jürgen Roth überrascht mit einem Band mit Erzählungen, „Leise Leute“, seinem literarischen Debüt.
Die 22 überwiegend recht kurzen Geschichten stellen (mit einer Ausnahme) „leise Leute“vor: Unscheinbare Menschen, an denen unsere Blicke meist vorbei gehen, und die es doch wert sind, einmal genauer betrachtet zu werden.
Wir lernen in den Erzählungen dieses Bandes zum Beispiel einen erfolglosen Kunstmaler kennen, der – genauer besehen – aber vor allem ein „Zeitkünstler“ist, ein wahrer Souverän über die vergehende Zeit. Oder uns begegnet eine „spanischer Nachbar“, der im Hause „stets so leise auftrat, als wollte er sich selbst nicht bemerken“, oder ein alkoholkranker Bergmann, dem der Boden unter seinen Füßen wegbricht, oder wir treffen auf Jakob, den „Wolkensucher“, dem in einer Pils-bar eine überaus schöne Frau begegnet – für ihn eine Erscheinung aus einer anderen, höheren Welt.
In einer der wenigen längeren Erzählungen tritt Giacomo Casanova auf, der es leid ist, immer wieder mit dem Frauen-verächter Don Juan verglichen zu werden und der sich überhaupt vehement gegen die Verzeichnungen seines Charakters in der Weltliteratur zur Wehr setzt.
Die Stärke dieser ebenso humorvoll wie mit feiner Ironie erzählten Geschichten liegt in ihrer bildhaften Sprache und in der genauen Beobachtung. Der Autor stellt menschliche Verhaltensweisen unter ein literarisches Vergrößerungsglas und lässt dabei immer wieder ganz unerwartete Wesenszüge sichtbar werden. Eine ebenso leichte wie nachdenklich stimmende Lektüre für sonnige Sommernachmittage.
Jürgen Roth: Leise Leute, Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2022