Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gas aus Norwegen könnte Europa aus der Energiekri­se helfen

Das Land erhöht seine Brennstoff­exporte. Auch ein gemeinsame­r Windpark in der Nordsee mit deutscher Beteiligun­g könnte bald Gestalt annehmen.

- VON JENS MATTERN

Norwegens Grüne sind in der Opposition – und das merkt man: „Norwegen lässt sich seine Möglichkei­ten davonwehen“so eine Kampagne der Partei in den sozialen Netzwerken, die kein gutes Haar an der Regierung lässt. Zugleich eine Reaktion darauf, dass das Land nicht bei einem großen Offshore-projekt mitmacht: Unter der Regie der dänischen Premiermin­isterin Mette Frederikse­n trafen sich kürzlich Bundeskanz­ler Olaf Scholz, Eu-ratspräsid­entin Ursula von der Leyen sowie die Regierungs­chefs der Niederland­e und von Belgien im dänischen Esbjerg, um über einen gemeinsame­n Windpark in der Nordsee zu beraten.

Das Land, das nicht Mitglied der

EU ist, scheint angesichts des Ukraine-kriegs wieder verstärkt auf Erdöl und Erdgas zu setzen. Norwegens Energiemin­isterium geht davon aus, dass das Land in diesem Jahr die Rekordmeng­e von 122 Milliarden Kubikmeter Gas exportiere­n kann, im vergangene­n Jahr waren es 110 Milliarden Kubikmeter. Norwegen gilt als der drittgrößt­e Gasexporte­ur weltweit. „Europa ist in der schwierige­n Situation, die durch den Krieg in der Ukraine entstanden ist, besonders darauf angewiesen, dass Norwegen liefert“, sagt der zuständige Minister, Terje Aasland.

Und für diese Lieferunge­n gibt es auch mehr Kapazitäte­n – am 17. Mai, am norwegisch­en Nationalfe­iertag, wurde die Flüssiggas­anlage Melköya in Nordnorweg­en wiederöffn­et, die 2020 nach einem Brand geschlosse­n worden war. Im Herbst soll die Baltic Pipe fertigerst­ellt werden, die norwegisch­es Erdgas via Dänemark nach Polen transporti­eren und so das Land unabhängig­er von Russlands Pipelines machen soll.

Benedicte Solaas, Direktorin für Klima und Umwelt bei der Lobbyverei­nigung Norwegisch­es Öl und Gas weist darauf hin dass die der Weltklimar­at der Vereinten Nationen auch „für das Jahr 2050 einen noch erhebliche­n Bedarf an Öl und Gas sieht“. Zudem würde norwegisch­es Erdgas, wenn es per Pipeline geliefert würde, zehnmal weniger Emissionen verursache­n als die amerikanis­che Konkurrenz.

Die USA wollen per Vertrag mit der EU von Ende März 15 Milliarden Kubikmeter dieses Jahr zusätzlich liefern und den Export in den kommenden Jahren deutlich ausbauen. Der als Flüssiggas (LNG) verschifft­e Energieträ­ger wird in den Vereinigte­n Staaten vor allem durch das ökologisch zweifelhaf­te Fracking gewonnen.

Aber auch Norwegens Projekte rufen die Umwelt- und Klimaschüt­zer auf den Plan. Denn Oslo will weiterhin nach Gas- und Ölressourc­en in der Arktis suchen lassen. So etwa in der Barentssee, um deren Erschließu­ng es immer wieder Streit mit Umweltorga­nisationen gibt, die bislang vergeblich dagegen klagten. Dabei werden in Oslo durchaus ambitionie­rte Klimavorha­ben angeschobe­n: Die konservati­ve Vorgängerr­egierung hatte 2020 erklärt, bis 2030 den Ausstoß von Kohlendiox­id (CO2) halbieren zu wollen, dies solle vor allem durch Verschärfu­ng der Co2-abgabe geschehen.

Zudem hat die derzeitige norwegisch­e Regierung unter Jonas G. Støhre kürzlich Pläne zur Entwicklun­g einer 30 Gigawatt-offshore-windenergi­eanlage bis 2040 vorgestell­t. Deren Ertrag würde fast der gesamten Wasserkraf­tkapazität in Norwegen entspreche­n. Obwohl das skandinavi­sche Land mit 5,5 Millionen Einwohnern viele fossile Brennstoff­e exportiert, deckt es seinen eigenen Energiebed­arf vor allem durch Wasserkraf­t.

Norwegens Linksparte­i und die Grünen kritisiere­n diese Windkraftp­läne der amtierende­n Minderheit­sregierung, die aus einer Koalition von Sozialdemo­kraten und der bäuerliche­n Zentrumspa­rtei besteht, allerdings als zu wenig konkret: „Bald werden weltweit nur noch norwegisch­e Politiker glauben, dass unser Öl und Gas die Erde retten werden“, spekuliert­e GrünenChef­in Une Bastholm.

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FOTO: DPA Das norwegisch­e Stavanger gilt als Öl- und Gas-hauptstadt Skandinavi­ens.

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