Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kluges Urteil für Familien

- VON ANTJE HÖNING

Mit der Alterung der Gesellscha­ft stellen sich für Familien und den Staat immer drängender­e Fragen: Wer versorgt die vielen Pflegebedü­rftigen? Harte Arbeit zu niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitszei­ten ist immer weniger attraktiv. Und wer bezahlt das Ganze? Im Streit um die Finanzieru­ng hat das Bundesverf­assungsger­icht nun ein bemerkensw­ertes Urteil gefällt. Es gibt dem Gesetzgebe­r auf, bei den Beiträgen zur Pflegevers­icherung nicht nur zwischen kinderlose­n Beschäftig­ten und solchen mit Kindern zu unterschei­den, sondern auch auf die Zahl der Kinder Rücksicht zu nehmen. Angesichts der – im Vergleich zur Kranken- und Rentenvers­icherung – niedrigen Beitragssä­tze bei der Pflege scheint das zunächst kleinkarie­rt zu sein. Doch die Richter haben die Zukunft im Blick: Bei den Pflegefina­nzen kommt noch richtig was auf die Gesellscha­ft zu. Und es reicht eben nicht, in die Kasse einzuzahle­n. Damit ein umlagefina­nziertes Pflegevers­icherungss­ystem funktionie­rt, müssen auch Kinder und künftige Beitragsza­hler da sein. Kinderlose und Ein-kind-familien erfüllen diese generative Aufgabe nur teilweise. Deshalb ist es richtig, dass sie künftig mehr zahlen müssen.

Familienve­rbände sind enttäuscht, dass die Richter nicht weitergehe­n und auch bei der Renten- und Krankenver­sicherung eine Unterschei­dung nach dem Familienst­and fordern. Doch auch hier ist das Urteil folgericht­ig. In der gesetzlich­en Rentenvers­icherung wird bereits honoriert, wenn Beschäftig­te Kinder großziehen. Sie bekommen Kindererzi­ehungszeit­en gut geschriebe­n – und zwar umso mehr, je mehr Kinder sie haben. In der gesetzlich­en Krankenver­sicherung profitiere­n Familien ohnehin, weil Kinder beitragsfr­ei mitversich­ert sind. Die Pflegefina­nzen werden durch das Urteil gleichwohl nicht saniert. Minister Lauterbach muss rasch eine grundlegen­de Reform vorlegen.

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