Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kluges Urteil für Familien
Mit der Alterung der Gesellschaft stellen sich für Familien und den Staat immer drängendere Fragen: Wer versorgt die vielen Pflegebedürftigen? Harte Arbeit zu niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitszeiten ist immer weniger attraktiv. Und wer bezahlt das Ganze? Im Streit um die Finanzierung hat das Bundesverfassungsgericht nun ein bemerkenswertes Urteil gefällt. Es gibt dem Gesetzgeber auf, bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung nicht nur zwischen kinderlosen Beschäftigten und solchen mit Kindern zu unterscheiden, sondern auch auf die Zahl der Kinder Rücksicht zu nehmen. Angesichts der – im Vergleich zur Kranken- und Rentenversicherung – niedrigen Beitragssätze bei der Pflege scheint das zunächst kleinkariert zu sein. Doch die Richter haben die Zukunft im Blick: Bei den Pflegefinanzen kommt noch richtig was auf die Gesellschaft zu. Und es reicht eben nicht, in die Kasse einzuzahlen. Damit ein umlagefinanziertes Pflegeversicherungssystem funktioniert, müssen auch Kinder und künftige Beitragszahler da sein. Kinderlose und Ein-kind-familien erfüllen diese generative Aufgabe nur teilweise. Deshalb ist es richtig, dass sie künftig mehr zahlen müssen.
Familienverbände sind enttäuscht, dass die Richter nicht weitergehen und auch bei der Renten- und Krankenversicherung eine Unterscheidung nach dem Familienstand fordern. Doch auch hier ist das Urteil folgerichtig. In der gesetzlichen Rentenversicherung wird bereits honoriert, wenn Beschäftigte Kinder großziehen. Sie bekommen Kindererziehungszeiten gut geschrieben – und zwar umso mehr, je mehr Kinder sie haben. In der gesetzlichen Krankenversicherung profitieren Familien ohnehin, weil Kinder beitragsfrei mitversichert sind. Die Pflegefinanzen werden durch das Urteil gleichwohl nicht saniert. Minister Lauterbach muss rasch eine grundlegende Reform vorlegen.