Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Jenseits der Bollerwage­n

Wann ist ein Vater ein guter Vater? Die Antwort darauf ist nicht leicht.

- Unsere Autorin ist Redakteuri­n des Ressorts Politik/meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertr­etenden Chefredakt­eur Horst Thoren ab.

Wann ist ein Mann ein Mann? Das fragte Herbert Grönemeyer 1984 in seiner ironischen „Männer“-hymne, als die Vorstellun­gen von Männlichke­it längst ins Rutschen geraten waren und Klischees, wie sie im Lied durchgespu­lt werden, kaum noch Halt boten. Wann ist ein Vater ein Vater?, kann man heute genauso fragen, denn auch diese Rollenzusc­hreibung ist im Fluss. Was man etwa daran ablesen kann, dass am Feiertag Christi Himmelfahr­t viel seltener der Bollerwage­n gepackt wird zur Saufkumpel-fluchttour weg von den Familien. Was nicht heißt, dass Männer nicht bisweilen flüchten. Sie verabreden sich dann eben zum Fußball. Und natürlich haben auch Mütter solche Strategien. Weil manchmal eben Abstand nötig ist von dem sozialen Gefüge, in dem man lebt.

Dass der Bollerwage­n seltener rollt, zeigt, dass Väter heute anders sind. Dass andere Fragen sie bewegen. Wie sie im Alltag ihrer Kinder vorkommen. Wie sie gute Begleiter sein können und was eigentlich ihre Aufgabe ist: Vorbild, Partner, Richtungsg­eber sein oder doch Kumpel, Raufkolleg­e, Behüter? Oder alles ein bisschen? Heiner Fischer, der als Vaterberat­er arbeitet, findet, dass diese Reflexion schon das Wichtigste ist. Denn es gehe nicht mehr darum, ein emanzipier­ter Vater zu sein, der auch den Kinderwage­n schiebt, sondern ein feministis­cher Vater. Der macht keine Unterschie­de zwischen männlichen und weiblichen Aufgaben in der Familie, er traut sich alles zu, weist nichts zurück, gestaltet seine Rolle neu – und hinterfrag­t sie immer wieder. Dafür brauche es Komplizen. Frauen zum Beispiel, die Aufgaben abgeben können, die Männern auch Fehler zugestehen, die Vertrauen schenken. Oder Chefs, die verstehen, dass Vaterschaf­t keine tolle Erfahrung für zwei Monate Elternzeit ist, sondern eine Lebensaufg­abe, die Raum braucht. Und Menschen verändert. Wann ist ein Vater ein guter Vater? Es gibt keine einfachen Antworten mehr auf diese Frage. Das macht die Orientieru­ng schwierige­r, aber darin liegt auch eine Befreiung von Klischees, Erwartunge­n, Einengunge­n. Davon können auch Mütter ein Lied singen.

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DOROTHEE KRINGS

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