Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Nato und der Kampfpanze­r

Gibt es im westlichen Bündnis eine Absprache, die Ukraine zwar mit schweren Waffen zu unterstütz­en, ihr aber keine modernen aus westlicher Produktion zu liefern? Die Aufregung ist groß.

- VON GREGOR MAYNTZ

Haben die Nato-staaten der Ukraine nur zum Schein versproche­n, ihr mit allen nötigen schweren Waffen beizustehe­n? Haben sie sich in Wirklichke­it insgeheim darauf verständig­t, dabei aber nur alte Sowjetpanz­er und keine westliche Kampf panzer technologi­e zuliefern? Große Überraschu­ng hat Verteidigu­ngs staatssekr­etär in Siemtj eM öll er( SPD) mit einer solchen Feststellu­ng ausgelöst. Die Union in Berlin hält das Vorgehen für „unhaltbar“. Das müsse „sofort und umfassend“aufgeklärt werden.

Möller hatte im ZDF mehrfach erklärt, in der Nato sei gemeinsam festgehalt­en worden, „dass keine Schützen- oder Kampfpanze­r westlichen Modells geliefert werden“. Es gebe auch keine Änderung dieser Positionen bei den Partnern. Verwundert äußerte sich daraufhin unter anderem Jana Puglierin vom Europäisch­en Rat für Auswärtige Politik: „Ich möchte die Aussage aus dem Interview gerne verstehen“, twitterte sie und fragte Möller, ob man sich im Nato-bündnis tatsächlic­h darauf geeinigt habe.

Die Grünen- verteidigu­ngs politikeri­n S ar aN annizeigte­sic hebenfalls„ überrascht und irritiert “. Verteidigu­ngsministe­r in Christine Lambrecht habe das selbst innerhalb der Koalition an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht. Das sei auch für die Rüstungsun­ternehmen „unangenehm“, nicht von solchen Absprachen zu wissen. Seit Monaten bereiten sich Konzerne wie Rheinmetal­l darauf vor, der Ukraine Kampf- und Schützenpa­nzer in größerer Stückzahl zu liefern, warten nur noch auf grünes Licht aus dem Kanzleramt.

Wie die Faust aufs Auge Möllers wirkte am Montagaben­d der vollmundig­e Dank von Us-verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin über die Zusage weiterer Panzer-lieferunge­n von Nato-partnern an die Ukraine. Austin hatte zu einer weiteren Konferenz eingeladen, um Waffenzusa­gen für die Ukraine einzusamme­ln. Dänische und tschechisc­he Panzer kamen darin genauso vor wie dänische Anti-schiffMars­chflugkörp­er und tschechisc­he Kampfhubsc­hrauber. Auf die Nachfrage, ob es solche Verabredun­gen wie von Möller geschilder­t im Bündnis gebe, erklärte die Nato: „Die Lieferung bestimmter militärisc­her Güter ist eine nationale Entscheidu­ng. Die Verbündete­n leisten der Ukraine weiterhin erhebliche militärisc­he Hilfe, einschließ­lich westlicher Ausrüstung.“

Das ließ Spielraum für Interpreta­tionen. Hatte das Bündnis damit indirekt gesagt, ob „westliche Ausrüstung“zu liefern allein in der Entscheidu­ng der einzelnen Staaten liege? Dann hätte Möller die Unwahrheit gesagt. Doch die Nato legt seit Beginn des Krieges Wert darauf, klar zu unterschei­den: Die Nato selbst helfe lediglich bei der Koordinier­ung der Hilfeersuc­hen der Ukraine und unterstütz­e die Bündnispar­tner „bei der Bereitstel­lung humanitäre­r und nicht tödlicher Hilfe“. Davon zu trennen sei, was „einzelne Nato-mitgliedsl­änder“an Waffen, Munition, medizinisc­her Versorgung und anderer lebenswich­tiger militärisc­her Ausrüstung auf den Weg brächten. Bei genauerem Hinsehen gibt es bislang keine einzige Lieferung, die der Aussage von Möller widerspric­ht. Sie selbst hatte bereits präzisiere­nd hinterherg­eschickt: „Es gibt bisher keine (!) Lieferung von Schützen- oder Kampfpanze­rn westlichen Modells, keine Leclercs, keine Bradleys etc.“– also keine Kampfpanze­r aus französisc­her oder amerikanis­cher Produktion. Was die Tschechen lieferten und liefern, sind ausschließ­lich Kampfpanze­r aus sowjetisch­en Zeiten. Und der dänische M113 ist streng genommen kein Panzer, sondern ein gepanzerte­r Mannschaft­stransport­wagen. Aus Frankreich, den USA und künftig aus Deutschlan­d kommen Haubitzen – ebenfalls keine Kampfpanze­r.

Konnte dann Deutschlan­d die Lieferung des Panzers Gepard überhaupt zusagen? Auch dieses westliche Modell läuft nicht unter der Rubrik der Kampfpanze­r, obwohl es durchaus zum Kampf im Gefecht geeignet ist. Der Gepard ist ein Flugabwehr­panzer. Sorgen bereitet der Ukraine jedoch, dass Deutschlan­d inzwischen davon ausgeht, dass es Juli werden könnte, bevor die ersten Gepards in der Ukraine eintreffen. Täglich machen die russischen Streitkräf­te Geländegew­inne in der Ostukraine, meldet Präsident Wolodymyr Selenskyj. Zwischen 50 und 100 ukrainisch­e Soldaten seien bislang täglich gefallen. Händeringe­nd ruft die Ukraine daher nach Panzern, um bestehen zu können.

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F: DPA Verteidigu­ngsstaatss­ekretärin Siemtje Möller.

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