Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Nato und der Kampfpanzer
Gibt es im westlichen Bündnis eine Absprache, die Ukraine zwar mit schweren Waffen zu unterstützen, ihr aber keine modernen aus westlicher Produktion zu liefern? Die Aufregung ist groß.
Haben die Nato-staaten der Ukraine nur zum Schein versprochen, ihr mit allen nötigen schweren Waffen beizustehen? Haben sie sich in Wirklichkeit insgeheim darauf verständigt, dabei aber nur alte Sowjetpanzer und keine westliche Kampf panzer technologie zuliefern? Große Überraschung hat Verteidigungs staatssekretär in Siemtj eM öll er( SPD) mit einer solchen Feststellung ausgelöst. Die Union in Berlin hält das Vorgehen für „unhaltbar“. Das müsse „sofort und umfassend“aufgeklärt werden.
Möller hatte im ZDF mehrfach erklärt, in der Nato sei gemeinsam festgehalten worden, „dass keine Schützen- oder Kampfpanzer westlichen Modells geliefert werden“. Es gebe auch keine Änderung dieser Positionen bei den Partnern. Verwundert äußerte sich daraufhin unter anderem Jana Puglierin vom Europäischen Rat für Auswärtige Politik: „Ich möchte die Aussage aus dem Interview gerne verstehen“, twitterte sie und fragte Möller, ob man sich im Nato-bündnis tatsächlich darauf geeinigt habe.
Die Grünen- verteidigungs politikerin S ar aN annizeigtesic hebenfalls„ überrascht und irritiert “. Verteidigungsminister in Christine Lambrecht habe das selbst innerhalb der Koalition an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht. Das sei auch für die Rüstungsunternehmen „unangenehm“, nicht von solchen Absprachen zu wissen. Seit Monaten bereiten sich Konzerne wie Rheinmetall darauf vor, der Ukraine Kampf- und Schützenpanzer in größerer Stückzahl zu liefern, warten nur noch auf grünes Licht aus dem Kanzleramt.
Wie die Faust aufs Auge Möllers wirkte am Montagabend der vollmundige Dank von Us-verteidigungsminister Lloyd Austin über die Zusage weiterer Panzer-lieferungen von Nato-partnern an die Ukraine. Austin hatte zu einer weiteren Konferenz eingeladen, um Waffenzusagen für die Ukraine einzusammeln. Dänische und tschechische Panzer kamen darin genauso vor wie dänische Anti-schiffMarschflugkörper und tschechische Kampfhubschrauber. Auf die Nachfrage, ob es solche Verabredungen wie von Möller geschildert im Bündnis gebe, erklärte die Nato: „Die Lieferung bestimmter militärischer Güter ist eine nationale Entscheidung. Die Verbündeten leisten der Ukraine weiterhin erhebliche militärische Hilfe, einschließlich westlicher Ausrüstung.“
Das ließ Spielraum für Interpretationen. Hatte das Bündnis damit indirekt gesagt, ob „westliche Ausrüstung“zu liefern allein in der Entscheidung der einzelnen Staaten liege? Dann hätte Möller die Unwahrheit gesagt. Doch die Nato legt seit Beginn des Krieges Wert darauf, klar zu unterscheiden: Die Nato selbst helfe lediglich bei der Koordinierung der Hilfeersuchen der Ukraine und unterstütze die Bündnispartner „bei der Bereitstellung humanitärer und nicht tödlicher Hilfe“. Davon zu trennen sei, was „einzelne Nato-mitgliedsländer“an Waffen, Munition, medizinischer Versorgung und anderer lebenswichtiger militärischer Ausrüstung auf den Weg brächten. Bei genauerem Hinsehen gibt es bislang keine einzige Lieferung, die der Aussage von Möller widerspricht. Sie selbst hatte bereits präzisierend hinterhergeschickt: „Es gibt bisher keine (!) Lieferung von Schützen- oder Kampfpanzern westlichen Modells, keine Leclercs, keine Bradleys etc.“– also keine Kampfpanzer aus französischer oder amerikanischer Produktion. Was die Tschechen lieferten und liefern, sind ausschließlich Kampfpanzer aus sowjetischen Zeiten. Und der dänische M113 ist streng genommen kein Panzer, sondern ein gepanzerter Mannschaftstransportwagen. Aus Frankreich, den USA und künftig aus Deutschland kommen Haubitzen – ebenfalls keine Kampfpanzer.
Konnte dann Deutschland die Lieferung des Panzers Gepard überhaupt zusagen? Auch dieses westliche Modell läuft nicht unter der Rubrik der Kampfpanzer, obwohl es durchaus zum Kampf im Gefecht geeignet ist. Der Gepard ist ein Flugabwehrpanzer. Sorgen bereitet der Ukraine jedoch, dass Deutschland inzwischen davon ausgeht, dass es Juli werden könnte, bevor die ersten Gepards in der Ukraine eintreffen. Täglich machen die russischen Streitkräfte Geländegewinne in der Ostukraine, meldet Präsident Wolodymyr Selenskyj. Zwischen 50 und 100 ukrainische Soldaten seien bislang täglich gefallen. Händeringend ruft die Ukraine daher nach Panzern, um bestehen zu können.