Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Zentralbank will ihre Geldpolitk am Kriegsverlauf ausrichten
Eine Zinswende im Juli gilt als sicher, danach hält sich die EZB alle Optionen offen. Mittelfristig rechnet sie mir einer Inflation um die zwei Prozent.
(rtr) Angesichts des Ukraine-krieges muss die Europäische Zentralbank (EZB) laut Chefökonom Philip Lane nach einer möglichen Zinswende im Sommer im Herbst flexibel über den weiteren Kurs entscheiden: Was dann komme, sei von der „Lage der Dinge“abhängig, sagte der Ire am Mittwoch. Die Unsicherheit wegen des Kriegs in Osteuropa und die Ungewissheit über die weitere Entwicklung der Inflation erforderten von der EZB „Optionalität, Flexibilität und stufenweises Vorgehen“.
Zugleich betonte Lane, dass sich die Inflation trotz der derzeitigen Rekordmarke von 7,4 Prozent im Euroraum mitelfristig wohl auf das von der EZB angestrebte Niveau von 2,0 Prozent zubewege. Die Volkswirte der Zentralbank erwarten für 2022 eine Teuerungsrate im Euroraum von 5,1 Prozent. 2023 soll sie bei 2,1 Prozent liegen und 2024 dann auf 1,9 Prozent nachgeben.
Laut Ezb-chefin Christine Lagarde dürften Negativzinsen bis Ende des dritten Quartals wohl Geschichte sein und weitere Anhebungen folgen. Der Einlagensatz der EZB liegt derzeit bei minus 0,5 Prozent. Dies bedeutet, dass die Banken Gebühren für das Parken von Bargeld bei der Zentralbank zahlen müssen.
In der Führungsetage der EZB wird kontrovers darüber diskutiert, wie stark die Zinszügel im Zuge der geldpolitischen Normalisierung angezogen werden sollten. Ezb-direktor Fabio Panetta wandte sich gegen das von Lagarde im EZB-BLOG skizzierte Szenario von Zinsschritten in Richtung eines neutralen Niveaus. „Normal bedeutet nicht neutral“, sagte Panetta dazu. Er sei dagegen, dass die Zinspolitik auf einen nicht beobachtbaren Bezugspunkt wie das neutrale Niveau ausgerichtet werde, erklärte der Italiener, der als Verfechter einer eher lockeren geldpolitischen Linie gilt.
Der niederländische Notenbankchef Klaas Knot sagte auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, er stehe inhaltlich voll hinter dem, was Lagarde skizziert habe: „Mit der mitelfristigen Inflation weitgehend am Zielpunkt, sollte die angemessene geldpolitische Haltung neutral sein.“Derzeit sei die Geldpolitik jedoch noch immer sehr konjunkturstimulierend. Doch mit noch zu entscheidenden Zinsschritten werde man sich auf eine neutralere Ebene zubewegen. Laut dem französischen Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sollte im Laufe des nächsten Jahres ein neutrales Zinsniveau angesteuert werden. Die EZB hat erst für Juli eine Zinswende signalisiert, wenn das Ankaufprogramm gestoppt sei. Mit einer solchen Entscheidung wird für die Zinssitzung am 9. Juni gerechnet.