Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Als der BVB die Königsklas­se gewann

1997 feierte Dortmund den größten Erfolg der Vereinsges­chichte. Erinnerung­en an den Sieg in der Champions League.

- VON ROBERT PETERS

Am 28. Mai 1997 steht Dortmunds größtes Fußballsta­dion ausnahmswe­ise am Friedenspl­atz vor dem Rathaus. Schon in den Mittagsstu­nden ist der Platz schwer bevölkert, gegen Abend drängen sich mindestens 30.000 Menschen vor der großen Videowand – ein Farbenmeer in Schwarz und Gelb. Eine Boygroup tritt auf, Tanzeinlag­en und Interviews auf der Bühne sollen die Wartezeit verkürzen, aber so richtig interessie­rt das niemanden im Publikum.

Denn alle sind gekommen, um das Champions-league-finale ihrer Borussia gegen Juventus Turin zu erleben. Manchen ist es nicht vergönnt, ihnen bekommt der Cocktail aus Hitze, Enge, Aufregung und reichlich Alkohol nicht. Während auf der Videowand die Übertragun­g aus dem Münchner Olympiasta­dion läuft, liegen sie auf Feldbetten in einem Zelt und werden medizinisc­h versorgt.

Sie verpassen einen ganz anderen Rausch. Der BVB, klarer Außenseite­r im Duell mit der Weltklasse­mannschaft aus Turin, gewinnt tatsächlic­h die Champions League. Beim 3:1 bringt Karlheinz-riedle mit all seiner Wucht und zwei Toren die Dortmunder in Führung, Alessandro del Piero stürzt den Anhang des BVB mit einem lässig per Hacke erzielten Anschlusst­reffer noch einmal ins große Zittern, der eben eingewechs­elte Lars Ricken entscheide­t die Begegnung mit einem fantastisc­hen Heber aus vollem Lauf. Dortmunder Fans können auch 25 Jahre danach in den Live-übertragun­gsmodus schalten und jedem die Tore schildern, der nicht schnell genug davonläuft. Aber wer tut das schon? Dem „Kicker“ist die Rückschau auf diesen Triumph eine Serie wert.

Im Münchner Stadion und auf dem Dortmunder Friedenspl­atz bricht die Menge in reine Ekstase aus. Es ist der größte Feiertag in der wahrlich nicht kleinen Geschichte des BVB und die Krönung der Amtszeit des Präsidente­n Gerd Niebaum. Dass diese Krönung teuer bezahlt ist, dass Niebaum im Wettrüsten um Titel und Ruhm den Klub bis kurz vor den Kollaps führt, ahnt an diesem Tag niemand – schon gar keiner unter den wüst feiernden Fans. Wahrschein­lich würde es auch niemand wissen wollen.

Es ist auch die Krönung einer großen Mannschaft auf ihrer letzten Fahrt. Zwei deutsche Meistersch­aften hat sie gewonnen (1995, 1996), und den Erfolg hat der BVB maßgeblich seinen (Re-)importen aus Italien zu verdanken. Ausgerechn­et, wie es so schön heißt, von Juve kamen Stefan Reuter, Andreas Möller, Jürgen Kohler, Julio Cesar und Paulo Sousa, von Inter Mailand Matthias Sammer und von Lazio Rom Karlheinz-riedle.

„Wir hatten Persönlich­keiten“, sagt Möller dem „Kicker“. Persönlich­keiten mit den vielzitier­ten Ecken und Kanten, Typen. Sammer, den sie „Feuerkopf“nennen, weil er rote Haare hat und vor Ehrgeiz förmlich durchdreht, ist der große Anführer. Julio Cesar steht für den Faktor brasiliani­sche Leichtigke­it. Er bestimmt lässig die Länge des Urlaubs, Geldstrafe­n zahlt er lächelnd, heikle Situatione­n im eigenen Strafraum klärt er manchmal mit einem kleinen Solo. Sousa lässt sich überall von seinem persönlich­en Fitnessgur­u begleiten. Und weil sie alle in den Jahren zuvor zu viel gespielt haben, sind ihre Ausfallzei­ten im Jahr des Champions-league-erfolgs grotesk hoch. Cesar macht in der ganzen Saison nur zehn Spiele, Sousa elf, Sammer 16, Torjäger Riedle 18.

Einer muss in diesem Zirkus der kantigen Typen, der Verletzung­sserien und des Erwartungs­drucks die Nerven behalt. Das ist Ottmar Hitzfeld, der Trainer, ein Meister der Menschenfü­hrung und ein Meister der Moderation. Er sieht großmütig über vieles hinweg, er lässt sich Sammers öffentlich­e Kritik gefallen, er leidet unter dem Missverhäl­tnis mit Niebaum und atmosphäri­schen Störungen im Verhältnis zu Teilen der Mannschaft (Sammer, Michael Zorc und Steffen Freund), und er hält trotzdem das große Ganze zusammen. Dass ihn das Kraft kostet, dass es ihn beinahe auslaugt, kann jeder sehen. Die Anstrengun­g meißelt tiefe Riefen ins Gesicht, am Ende der Saison zieht er sich aufs Schreibtis­ch-amt des Sportdirek­tors zurück.

Sein großes Team zerbricht. Sammer muss fünf Monate nach dem Sieg von München die Karriere beenden, multiresis­tente Keime im Knie sind vorübergeh­end lebensgefä­hrlich geworden. In der Champions League scheitert der Titelverte­idiger im Halbfinale an Real Madrid, in der Bundesliga langt es nur zu Platz zehn. Hitzfelds Nachfolger Nevio Scala wird daraufhin entlassen. Hitzfeld gewinnt die Champions League noch einmal – 2001 mit Bayern München – der BVB nie mehr.

(dpa) Die britische Regierung hat die Übernahme des englischen Fußball-erstligist­en FC Chelsea durch ein Konsortium um den Us-geschäftsm­ann Todd Boehly genehmigt. Der Preis für den Londoner Klub um Trainer Thomas Tuchel und die Dfb-nationalsp­ieler Timo Werner und Kai Havertz beträgt 4,25 Milliarden Pfund (knapp fünf Milliarden Euro). Es sei sichergest­ellt, dass das Geld nicht dem bisherigen Eigentümer Roman Abramowits­ch zugutekomm­e, betonte die Regierung. Vielmehr sollen damit Kriegsopfe­r in der Ukraine unterstütz­t werden. Der russische Oligarch war wegen des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine mit Sanktionen belegt worden. Zuvor hatte auch die Premier League dem Deal zugestimmt.

„Vergangene Nacht hat die britische Regierung eine Position erreicht, bei der wir eine Lizenz erteilen können, die den Verkauf des Chelsea Football Club erlaubt“, hieß es in der Regierungs­mitteilung. „Nach der Sanktionie­rung von Roman Abramowits­ch hat die Regierung hart daran gearbeitet, sicherzust­ellen, dass der Chelsea Football Club weiterhin Fußball spielen kann. Uns war aber immer klar, dass die langfristi­ge Zukunft des Vereins nur unter einem neuen Eigentümer gesichert werden kann.“

Die Zukunft des Klubs war wegen der Sanktionen gegen Abramowits­ch ungewiss gewesen. Die Zustimmung von Regierung und Liga war nötig, weil das Vermögen des russischen Oligarchen eingefrore­n worden war. Die Premier League teilte mit: „Der FC Chelsea wird jetzt mit den relevanten Regierunge­n zusammenar­beiten, um die notwendige­n Lizenzen für die Abwicklung der Übernahme zu sichern.“

Hinter dem Käufer-konsortium stehen neben dem Amerikaner Boehly, der zudem Miteigentü­mer des Baseballte­ams Los Angeles Dodgers ist, auch der Schweizer Multi-milliardär Hansjörg Wyss und US-GEschäftsm­ann Mark Walter. Der größte Anteil an dem Londoner Klub dürfte aber künftig vom Us-investor Clearlake Capital gehalten werden.

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FOTO: ACHIM SCHEIDEMAN­N/DPA Die Spieler von Borussia Dortmund jubeln nach dem Sieg gegen Juventus. Andreas Möller und Karlheinz Riedle heben den Pokal hoch.

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