Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die heiteren Seiten des Messietums
Wer alles aufheben muss und nichts wegwerfen kann, sollte sich den neuen Film von Nadja Brunckhorst anschauen. „ Alles in bester Ordnung“ist eine leise erzählte Komödie rund ums Aufräumen.
(dpa) Macht mir dieser Gegenstand noch Freude oder kann er weg? Ums Aufräumen ist in den vergangenen Jahren ein richtiger Hype entstanden. Der Guru dieses Trends ist die Japanerin Marie Kondo, bekannt durch Bücher und eine Netflix-serie. Jetzt spiegelt sich dieser Trend ins Kino, in Kombination mit der Frage: Was sind das eigentlich für Menschen, die so gar nichts wegwerfen können?
Corinna Harfouch spielt in „Alles in bester Ordnung“die Zahntechnikerin Marlen. Eine Frau, die an keiner „Zu verschenken“-kiste vorbeigehen kann und niemanden in die Wohnung lassen mag. Ihr Gegenpart ist der junge Nachbar Fynn (Daniel Sträßer), ein kontrollierter Typ, der nur fünf Paar Socken hat. Er zieht unter ihrem großen Murren wegen eines Wasserschadens bei ihr ein und soll schließlich beim Ausmisten helfen. Denn für Marlen wird das Chaos brenzlig.
Die dritte Hauptrolle hat die Kulisse von Szenenbildnerin Zazie Knepper: Die Wohnung sieht aus wie der Inhalt eines kompletten KleinstadtFlohmarkts. Marlen ist kein ungepflegter Messie wie aus einer Fernsehdoku, eher eine Eigenbrötlerin mit gelebtem Leben. Sie hat Mitleid mit den Dingen, zu Hause geraten sie dann außer Kontrolle, wie sie sagt. So hebt Marlen eine kaputte Brotschneidemaschine auf. Vielleicht könnte sie die ja noch einem Freund schenken. Aber wer braucht schon eine kaputte Maschine? Hat Marlen überhaupt Freunde?
Und da ist ja noch ein Zimmer, wie Fynn erst nach einer ganzen Weile entdeckt. Wie kommt Marlen aus dem Chaos heraus? Wird aus ihr und Fynn ein Paar? So viel sei verraten: Das Ende ist nicht realistisch, aber optisch hübsch. Und Marlens Tajine, ein Kochtopf für marokkanisches Essen, wird noch nützlich.
„Ordnung ist das halbe Leben“, sagt Fynn. „Willkommen in der anderen Hälfte!“, sagt Marlen. Das ist der zentrale Dialog, wie gemacht für einen Trailer im Kino. Corinna Harfouch (67), die demnächst als „Tatort“-kommissarin in Berlin ermittelt, zeigt ihr Können im spröde-aber-interessante-frauen-charakterfach. Auch ihr Gegenpart ist mit Daniel Sträßer (35, „Tatort“Saarbrücken) treffend besetzt. In einer Nebenrolle ist Joachim Król zu sehen, als Marlens Chef.
Die in Köln und Oberhausen gedrehte, warm inszenierte Komödie ist in der Regie das LangfilmDebüt von Natja Brunckhorst. Die 55-Jährige begann ihre Filmkarriere als Hauptdarstellerin in „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, das ist eine Rolle, auf die sie auch mehr als 40 Jahre später immer noch angesprochen wird. Der Film „Alles in bester Ordnung“sei eine Hommage an ihre Mutter, sagt Brunckhorst in den Produktionsnotizen: „Sie war sehr humorvoll, sehr charmant, auch eine schöne Frau, und sie hatte zu viele Dinge. Ich glaube, es wäre gut für sie gewesen, wenn so ein Fynn bei ihr vorbeigekommen wäre.“
Wer Brunckhorsts Gedanken dazu nachvollziehen kann, ist in diesem Film gut aufgehoben. Die richtig finsteren Seiten, die ein Messietum haben kann, bleiben ausgespart. Es bleibt eine Wohlfühl-komödie. Das Chaos bei Marlen hat Vintage-flair und sieht gut aus. Ein Gimmick: Laut der Ankündigung kann man bei der Kinotour mit einer Virtual-realityBrille und dank Computertechnik die Wohnung wie in echt erleben.
Alles in bester Ordnung, Deutschland 2021 – Regie: Natja Brunckhorst; mit Corinna Harfouch, Daniel Sträßer, Luise Kinner, Simon Hatzl, Steffen Will; 96 Minuten