Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ärger wegen Corona im Pflegeheim

Eine Rheinberge­rin infizierte sich in der Kurzzeitpf­lege in Wesel. Die Familie vermisst einen angemessen­en Umgang.

- VON UWE PLIEN

Benjamin Erwig aus Rheinberg hat zwischenze­itlich die Welt nicht mehr verstanden. Seine Großmutter Ingrid Ritter, der es inzwischen wieder gut geht, war zeitweilig zur Kurzzeitpf­lege im Pflegeheim Kiek in den Busch in Wesel. „Sie ist gesund dorthin gekommen, dann aber an Corona erkrankt“, erzählt Erwig. Irgendwann habe er erfahren, dass seine Mutter, bei der Ingrid Ritter lebt, angerufen und gebeten worden sei, die alte Dame in Wesel abzuholen, weil der Vertrag über die Kurzzeitpf­lege abgelaufen sei.

Nun ist es aber so, dass Erwigs Mutter krebskrank und ihr Lebensgefä­hrte herzkrank ist und sie somit beide zur Risikogrup­pe gehörten. Die Oma wohnt bei ihnen im Haushalt. Beide, so die Befürchtun­g der Familie, würden sich dann möglicherw­eise mit Covid-19 anstecken. Erwig: „Und das wäre ja ganz sicher nicht im Sinne des Infektions­schutzes.“

Der Rheinberge­r schlug daher vor, dass die Oma noch im Weseler Heim bleiben sollte. Aber das wurde dort zunächst abgelehnt. Denn ihr Zimmer war schon wieder an einen neuen Bewohner vergeben. Erwig sagt, er habe sich geweigert, seine Großmutter abzuholen und immer wieder auf die Risiken hingewiese­n. „In Wesel bestand man aber darauf, dass sie abgeholt wird. Ich schlug daraufhin vor, meine Oma in ein Krankenhau­s einzuliefe­rn. Aber man sagte mir, dass das nicht möglich sei.“

Erwig ließ nicht locker. Er rief das Gesundheit­samt an, fuhr später auch dorthin, schaltete sogar das Ordnungsam­t und die Polizei ein, die auch kamen. Es begann ein abenteuerl­iches Hin und Her. Gespräche mit Ansprechpa­rtnern im Haus Kiek in den Busch brachten zunächst keine Lösung des Problems. Irgendwann stellte sich heraus, dass die Großmutter doch noch bleiben konnte, weil ein eingeplant­er Patient abgesprung­en sei. Es wurde der Familie in Aussicht gestellt, dass die Oma so lange bleiben könne, bis sie nicht mehr ansteckend sei. Ein Glücksfall. Benjamin Erwig konnte sich darüber nur bedingt freuen. Er hält das Vorgehen der Einrichtun­gsleitung und der Gesundheit­sbehörde für alles andere als bürgerfreu­ndlich.

Auf der anderen Seite des Tisches sieht man dies anders. Anja Schulte, Sprecherin des auch für die Heimaufsic­ht zuständige­n Kreises Wesel, sagt: „Es ist doch gut, dass letztendli­ch eine Lösung gefunden werden konnte.“Sie verwies auf die Regelung, dass man sich nach Hause begeben solle, wenn man coronaposi­tiv sei. Die Kurzzeitpf­lege sei an Verträge gekoppelt, und die seien nun mal zeitlich befristet. Anja Schulte: „In der Regel sind die Zimmer sofort wieder an Andere vergeben.“

In ein Krankenhau­s hätte Ingrid Ritter nur gebracht werden dürfen, wenn sie auch krank gewesen wäre – das sei sie aber nicht gewesen. „In einem solchen Fall spricht nichts dagegen, dass die Frau von ihren Angehörige­n hätte abgeholt werden können“, so die Kreissprec­herin, die betont, dass sogenannte Isolations­transporte nur in Notfällen veranlasst werden.

André Gorres, Geschäftsb­ereichslei­ter für Senioren- und Pflegeeinr­ichtungen, die zum Evangelisc­hen Krankenhau­s Wesel gehören wie auch das Haus Kiek in den Busch, sieht das ähnlich. „Wir haben generell viel zu wenige Kurzzeitpf­legeplätze. Entspreche­nd schnell sind die Plätze wieder neu vergeben.“Ingrid Ritter habe davon profitiert, dass jemand anderes abgesprung­en sei und den Kurzzeitpf­legeplatz nicht angetreten habe. Sie hätte auch aus dem Krankenhau­s entlassen werden können, das wäre eine vergleichb­are Situation gewesen.

Benjamin Erwig kann alle diese vorgebrach­ten Argumente nicht akzeptiere­n. Seiner Ansicht nach hätte man mit seiner Großmutter und auch mit ihm definitiv anders umgehen müssen.

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FOTO: IMAGO Kurzzeitpf­legeplätze sind knapp bemessen (Symbolbild).
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RP-ARCHIVFOTO: ARFI Benjamin Erwig vermisst Bürgerfreu­ndlichkeit.

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