Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Die mutigsten Frauen Europas“
Die Bürgerrechtlerinnen Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa aus Belarus wurden in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Außenministerin Baerbock lobte sie ihn ihrer Laudatio für ihren Mut.
(dpa) Drei prominente Bürgerrechtlerinnen aus dem autoritär regierten Belarus haben in Aachen den Karlspreis erhalten. Damit wurde der Einsatz von Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit geehrt. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) würdigte das Trio am Donnerstag als „mutigste Frauen Europas“. Tichanowskaja und Zepkalo, die inzwischen im Exil leben, waren in Aachen selbst dabei. Kolesnikowa, die in ihrer Heimat eine elfjährige Haftstrafe verbüßt, wurde von ihrer Schwester vertreten.
Baerbock bezeichnete die Bürgerrechtlerinnen in ihrer Laudatio als Vorbild für Millionen Frauen in ganz Europa. Kolesnikowas Inhaftierung nannte sie eine „himmelschreiende Ungerechtigkeit“. Alle drei zahlten einen hohen Preis für ihr Streben nach Demokratie. Auch Bundespräsident Frank-walter Steinmeier würdigte in einem Brief den Mut der neuen Preisträgerinnen. Kolesnikowas Schwester Tatjana Chomitsch hielt während der gesamten Zeremonie ein Foto der Inhaftierten in die Höhe.
Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (parteilos) sagte, die drei Frauen träten mit unzähligen anderen Menschen in Belarus für das ein, was den Kern der europäischen Idee ausmache: Menschenrechte, Frieden und Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Solidarität. Sie seien „ein Licht in dunklen Zeiten“. Der Karlspreis wird seit 1950 für Verdienste um Europa und die europäische Einigung verliehen. Namensgeber ist Karl der Große.
Die Preisverleihung stand im Zeichen des russischen Kriegs gegen die Ukraine, ein Nachbarland von Belarus. Oppositionsführerin Tichanowskaja wies auf die Bedeutung der Einigkeit Europas mit Blick auf den Frieden in der Ukraine und die Demokratie in Belarus hin. Diktatoren versuchten, den Westen zu spalten. Nach der Zeremonie nahmen Baerbock mit den Preisträgerinnen an einer Kundgebung „Karlspreis für den Frieden“teil. Dabei formierte sich die Menge zu einem Peace-zeichen.
Ebenfalls am Donnerstag hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) überzeugt gezeigt, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen wird. Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheine heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges, sagte Scholz auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz.
In der Ukraine werden die Kämpfer aus dem ehemals belagerten Stahlwerk Azovstal, die kürzlich in Mariupol in russische Kriegsgefangenschaft geraten sind, weiter im von prorussischen Separatisten kontrollierten Donbass festgehalten. Das teilte Separatistenführer Denis Puschilin am Donnerstag der Agentur Interfax mit. Die Ukraine hofft darauf, dass die mehr als 2400 Männer und Frauen im Zuge eines Gefangenenaustauschs freikommen können – auch, weil die Separatisten in der selbst ernannten Volksrepublik Donzek bereits vor Jahren die Todesstrafe eingeführt haben.
In Aachen warf Baerbock dem seit mehr als einem Vierteljahrhundert regierenden Machthaber Lukaschenko vor, Russlands Krieg in der Ukraine zu unterstützen. „Damit stellen sich das russische und belarussische Regime mit menschenverachtendem Zynismus gegen all das, was uns in Europa ausmacht“, sagte sie und richtete sich an die Preisträgerinnen:„all das, wofür ihr drei, kämpft: Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte.“
In Belarus ist es zwei Jahre nach den Protesten gegen Lukaschenko um Demokratie und Menschenrechte schlechter bestellt denn je. Die Ex-sowjetrepublik hat gerade die Anwendung der Todesstrafe ausgeweitet. Künftig reicht der Vorwurf eines versuchten Terroranschlags für ein Todesurteil. Mehr als 1100 politische Gefangene sitzen in Haft.