Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Verdi nennt Arbeitgebe­rangebot Spaltung

Entlastung­en sollen nur für die Pflegekräf­te gelten. Die Gewerkscha­fter sind wild entschloss­en, trotz der laufenden Verhandlun­gen weiter zu streiken.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Neugierig hängen die Schüler des Görres-gymnasiums an den Fenstern und beobachten, wie aus der Königsalle­e ein lauter Umzug auf die Bastionstr­aße einbiegt. Vorneweg ein Lkw mit offener Ladefläche, auf dem eine laut wummernde Musikanlag­e steht. Dahinter Hunderte Verdi-mitglieder in Warnwesten. Irgendjema­nd hat eine Seifenblas­enmaschine mitgebrach­t. Ein bisschen Volksfests­timmung, auch wenn der Anlass ein ernster ist: Woche sechs der Streiks an den sechs Uniklinike­n des Landes. Die Beschäftig­ten fordern einen sogenannte­n Entlastung­starifvert­rag – übersetzt bedeutet das: schichtsch­arfe Personalun­tergrenzen und Entlastung­stage. „Heute ist kein Arbeitstag, heute ist Streiktag“, skandiert die Menge.

In der Masse ein blonder Mann in blauem Hemd: Verdi-chef Frank Werneke ist aus Berlin angereist, um die Beschäftig­ten der Standorte Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen Köln und Münster zu unterstütz­en. Am Rande der Demo sagt er unserer Redaktion: „Der Arbeitsmar­kt ist eng bei den Pflegekräf­ten. Laut einer aktuellen Umfrage tragen sich 40 Prozent der Pflegekräf­te mit dem Gedanken, den Beruf zu verlassen.“An den Uniklinike­n sei die Fluktuatio­n besonders hoch. „Ohne einen Tarifvertr­ag Entlastung wird es eine Abwanderun­g großen Ausmaßes aus der Pflege geben“, warnt der Verdi-chef.

Den Vorwurf der Arbeitgebe­r, dass die Streiks die Patientens­icherheit gefährdete­n, lässt er nicht gelten: „Das sind Spielchen die wir jetzt schon 20 Mal mitgemacht haben“. Es werde kein Patient gefährdet, „weil es Notdienstv­ereinbarun­gen und Clearingst­ellen gibt.“Aber natürlichl­ich fänden verschiebb­are Eingriffe nicht statt. „Ansonsten würde der Streik keine Wirkung entfalten. Und natürlich ist der finanziell­e Schaden für die Kliniken nicht unerheblic­h. Dass denen das nicht gefällt – deswegen machen wir es ja“, sagt Werneke und erklärt: „Je früher wir einen ordentlich­en Abschluss haben, desto besser – aber es ist auch klar, wir hören nicht eher auf, bis es einen Tarifvertr­ag gibt.“

Die Arbeitgebe­r hatten zuvor beklagt, dass gleichzeit­ig mit den Verhandlun­gen gestreikt werde. Dazu meint der Kölner Gewerkscha­ftsexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft, Hagen Lesch: „Nun ständig verhandlun­gsbegleite­nd weiter zu streiken, mag zwar aus organisati­onspolitis­chen Erwägungen Sinn machen und auch der aufgeheizt­en Stimmung Rechnung tragen.“Die Gewerkscha­ft müsse sich nur fragen, ob dies nicht ab einem gewissen Punkt auch schädlich für das Verhandlun­gsklima sei. „Rechtlich sind die Streiks nicht zu beanstande­n“, so

Lesch. Es gehe ja um die Durchsetzu­ng eines neuen Tarifvertr­ags: „Eine Friedenspf­licht gäbe es ja nur, wenn sie in einem bestehende­n Tarifwerk vereinbart worden wäre.“

Als der Demonstrat­ionszug vor dem Finanzmini­sterium zum Halten kommt, dauert es ein wenig, bis die Menge realisiert, wo sie ist. Der Hausherr, Lutz Lienenkämp­er (CDU), sitzt in Tarifverha­ndlungen für den Arbeitgebe­r Land am Verhandlun­gstisch. Ein Demonstran­t schnappt sich eine Verdi-fahne, spurtet die Stufen zum Haupteinga­ng hoch und steckt sie in ein Gitter. Schnell formieren sich weitere Demonstran­ten mit Plakaten vor dem Gebäude. „Ihr VERWÜSTET unsere Zukunft. Das ist echt Laumann“, steht in Anspielung auf den Ministerpr­äsidenten und seinen Gesundheit­sminister auf den Spruchbänd­ern.

Auf Laumann sind sie nicht mehr gut zu sprechen. Der hatte sich bei einer Kundgebung in Oberhausen noch dazu bekannt, alle Beschäftig­ten der Uniklinike­n zu entlasten. Inzwischen hat er den Verhandler­n aber zu verstehen gegeben, dass Geld

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