Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ladenetz für E-autos in NRW lückenhaft
Deutschland hinkt beim Ausbau der Infrastruktur hinterher. Mehr als die Hälfte aller Gemeinden hat keine öffentliche Ladesäule. NRW hat zwar nach Bayern die meisten Stationen – aber auch mehr als 293.000 Elektroautos.
Nordrhein-westfalen hat großen Nachholbedarf beim Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Dies geht aus einer Auswertung des Verbands der Automobilindustrie ( VDA) hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Obwohl in Nordrhein-westfalen rund 293.000 Elektroautos zugelassen sind, gibt es nur rund öffentliche 11.000 Ladepunkte. In absoluten Zahlen gehört NRW damit zwar zu den Bundesländern, die die meisten Ladestationen haben – nur Bayern hat mit knapp 12.000 noch mehr. Aber durch die große Anzahl der bereits zugelassenen EAutos müssen sich landesweit rund 27 Autos eine Ladesäule teilen.
Auf die Städte bezogen sind es noch mehr: In Köln müssen sich 33 Autos eine Ladesäule teilen, in Düsseldorf 32 Fahrzeuge. NRW steht hinter Rheinland-pfalz am Ende des Rankings. Noch schlechter aufgestellt ist nur das Saarland. Dort kommen landesweit 28 E-AUtos auf einen Ladepunkt. Zuerst hatte der „Spiegel“über das Ladenetzranking berichtet, das sich auf Daten der Bundesnetzagentur stützt.
Das Ranking zeigt: Die Lücke zwischen Ladeinfrastruktur und E-AUto-bestand ist im gesamten Bundesgebiet gewachsen. In mehr als der Hälfte aller 10.796 Gemeinden in Deutschland gibt es keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt. Während in den vergangenen zwölf Monaten im Schnitt rund 57.000 Elektroautos pro Monat in Deutschland neu zugelassen wurden, wuchs die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte nach Angaben des VDA wöchentlich nur um etwa 330.
„Um das Ziel von einer Million Ladepunkten im Jahr 2030, das auch die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich festgehalten hat, zu erreichen, wären jedoch rund 2000 neue Ladepunkte pro Woche nötig“, teilt der Verband mit: „Die Ausbaugeschwindigkeit müsste also versechsfacht werden.“Besonders gut stehen beim Ausbau Sachsen, Sachsen-anhalt und Thüringen da. In Sachsen kommen auf eine Ladesäule knapp 14 Autos. Die gute Quote hat aber auch mit der geringeren Zahl zugelassener E-autos zu tun.
In NRW haben der Kreis Kleve, die Städteregion Aachen und die Stadt Herne die besten Quoten: 16 bis 17 Autos kommen dort jeweils auf einen Ladepunkt. Am schlechtesten steht Leverkusen da, wo 55 E-pkw auf eine öffentliche Station kommen. Ein Sprecher des NRW-WIRTschaftsministeriums wies auf Anfrage unserer Redaktion vor allem auf die Förderung privater und betrieblicher Ladeinfrastruktur hin, denn „gerade die privaten Ladepunkte sind nah an der Lebensrealität der Menschen“, wie er sagte. Seit Herbst 2017 hat das Land demnach 235 Millionen Euro für den Aufbau bewilligt. „Nordrhein-westfalen war deutschlandweit das erste Flächenland, das private Ladepunkte aktiv gefördert hat“, sagte der Sprecher. André Stinka, Vize-fraktionschef der SPD im Landtag, sieht genau darin das Problem: „Statt auf eine gebündelte Unterstützung der Kommunen und Stadtwerke zu setzen, hat das Land überwiegend den privaten Sektor gefördert – mit mäßigem Erfolg, wie man nun sieht.“Dabei sei klar: Ohne die entsprechende Infrastruktur funktioniere keine Form der Mobilität: „Erst recht nicht, wenn man eine Wende schaffen will. Wenn die Landesregierung jetzt nicht schnell den Schalter umlegt, dann droht demnächst der Stau vor den Ladesäulen.“
Mobilitätsexperten halten den privaten wie den öffentlichen Sektor für notwendig, um die Verkehrswende zu schaffen. Sie sehen Probleme eher in den Details. Martin Doppelbauer, Professor am Karlsruher Institut für Technologie, sagte, beim Ausbau von Schnellladesäulen an Tankstellen sei einiges in Bewegung. Tankstellen seien der Ort, um „in einem professionellen Umfeld“sein Auto wieder flott zu bekommen. Im privaten Sektor gebe es noch Probleme: „Der wirkliche Knackpunkt ist, dass Bewohner von Mehrparteienhäusern schlechte Chancen haben, für den Eigenbedarf zu sorgen.“Wenn es etwa Unstimmigkeiten zwischen Eigentümern gebe, würden keine Ladestationen installiert. Auch simple Fragen wie die Kabelführung über den Bürgersteig zu einem Laternenparkplatz seien nicht geklärt: „Da braucht es dringend Vereinfachungen und mehr finanzielle Anreize aus der Politik.“