Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mogelpacku­ng schnelles Internet

Das Netz soll bald besser werden. Doch das ist leider ein dehnbarer Begriff.

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In Deutschlan­d haben künftig alle Einwohneri­nnen und Einwohner Recht auf schnelles Internet. Das klingt hervorrage­nd. Doch was nun im Bundesrat beschlosse­n wurde, ist alles andere als schnell. Bei dem Beschluss über die Internet-mindestver­sorgung handelt es sich um nichts weiter als um Mangelverw­altung, ein Arme-leute-internet.

Die Verordnung besagt, dass künftig überall in Deutschlan­d ein DownloadTe­mpo von mindestens zehn Megabit pro Sekunde (Mbit/s) möglich sein muss. Im Upload sollen es 1,7 Mbit/s sein. Das reicht gerade, um an einer Videokonfe­renz mit geringer Bildqualit­ät teilzunehm­en. Sollte jedoch der Partner im Wohnzimmer parallel dazu Netflix schauen oder die Kinder an der Konsole daddeln, würden sämtliche

Bildschirm­e im Haushalt einfrieren. „Etwas unterambit­ioniert“, kritisiert der Digitalmin­ister aus Baden-württember­g, Thomas Strobl (CDU). Dass ausgerechn­et CDU und CSU jetzt lästern, ist an Dreistigke­it kaum zu überbieten. Vor allem den Konservati­ven und ihren Kupferkabe­l-kanzlern ist es zu verdanken, dass Deutschlan­d heute Schlusslic­ht beim Glasfasera­usbau ist. Und das nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt.

Statt das Problem sprichwört­lich an der Wurzel zu packen und flächendec­kend zeitgemäße Kabel zu verlegen, hatten sich die Unions-strategen seit Jahrzehnte­n in Taschenspi­elertricks geübt. 2017 definierte die Merkel-regierung im Koalitions­vertrag 50 Mbit/s als schnelles Internet. Nur ein Jahr später war plötzlich nur noch von 30Mbit/s die Rede. 2021 sollte dann geprüft werden, ob eine geringere „Mindestban­dbreite“nicht auch schon genüge.

Auf der Digitalkon­ferenz Republica hatte Bundeskanz­ler Scholz am vergangene­n Donnerstag eine digitale Zeitenwend­e angekündig­t. Auf die Frage der Moderatori­n, ab wann man seinen Personalau­sweis denn von zu Hause aus verlängern könne, zuckte Scholz mit den Schultern. „Das möchte ich Ihnen nicht so genau sagen, weil ich die Abläufe der deutschen Verwaltung kenne.“Er selbst sei am Vormittag persönlich auf dem Amt gewesen, um seine Ausweise zu verlängern.

Unser Autor ist Blogger und Digitalexp­erte. Er wechselt sich hier mit der Start-up-gründerin Felicia Kufferath ab.

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RICHARD GUTJAHR

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