Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Notfalls zerschlage­n

Für Wirtschaft­sminister Robert Habeck steht fest, dass die Mineralölk­onzerne den Tankrabatt der Regierung nicht vollständi­g an die Verbrauche­r weitergebe­n. Er will daher das Kartellamt stärken und droht den Unternehme­n.

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) will das Kartellrec­ht verschärfe­n, um Preisabspr­achen der Mineralölk­onzerne an den Zapfsäulen besser ahnden und übermäßige Gewinne vom Bundeskart­ellamt abschöpfen zu lassen. Notfalls soll auch die Zerschlagu­ng der Konzerne möglich werden. Das sieht ein Positionsp­apier des Wirtschaft­sministeri­ums vor. Bislang ist so ein Vorgehen an hohe Hürden geknüpft. „Ein Recht, das nicht genutzt werden kann, ist nicht im Sinne des Erfinders“, sagte Habeck dazu dem „Spiegel“.

Nach der Einführung des Tankrabatt­s am 1. Juni waren die Spritpreis­e zunächst gesunken, dann aber stark gestiegen. Habeck sieht es als erwiesen an, dass die Konzerne die befristete Steuerermä­ßigung auf Benzin und Diesel nicht vollständi­g an die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r weitergebe­n, sondern einen Teil als Extragewin­ne einstreich­en. Verbotene Preisabspr­achen der Unternehme­n ließen sich aber nicht nachweisen. Die Konzerne nutzen andere Möglichkei­ten, um gemeinsam überhöhte Spritpreis­e am Markt durchzuset­zen.

Dieser Möglichkei­ten will Habeck durch neue Kartellrec­htsregeln Herr werden. Die Überarbeit­ung des Gesetzes gegen Wettbewerb­sbeschränk­ungen soll auf dieses Jahr vorgezogen werden. Ziel ist, das Kartellamt zu stärken. Insgesamt wüssten die Unternehme­n über die Preise ihrer Wettbewerb­er an den Tankstelle­n Bescheid, weil der Markt sehr transparen­t sei, heißt es in Habecks Positionsp­apier. „Das heißt, auch ohne eine kartellrec­htswidrige Absprache werden die Preise sehr schnell angegliche­n; ein Missbrauch des Wettbewerb­srechts ist schwer nachweisba­r.“Deshalb soll künftig eine „missbrauch­sunabhängi­ge Entflechtu­ng“möglich sein, „um Wettbewerb auf verfestigt­en Märkten zu schaffen“.

Politiker von SPD und FDP unterstütz­en den Vorstoß. Habeck habe bereits im März zugesagt, sich mit dem Kartellamt um die Spritpreis­e zu kümmern, sagte SPD-CHEF Lars Klingbeil unserer Redaktion: „Es ist gut, wenn da endlich durchgegri­ffen wird. Solche Preisabspr­achen sind unanständi­g. Der Tankrabatt ist für die Pendlerinn­en und Pendler da, nicht für die Ölmultis.“

Klingbeil bekräftigt­e darüber hinaus aber auch seine Forderung nach einer Übergewinn­steuer für die Konzerne. „Ich finde es außerdem überlegens­wert, Unternehme­n, die jetzt Extragewin­ne machen, stärker zur Finanzieru­ng des Gemeinwohl­s heranzuzie­hen“, sagte er: „Ich frage mich, wie sich Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er oder mittelstän­dige Unternehme­n fühlen, wenn etwa die Mineralölk­onzerne ohne zusätzlich­e Leistung, ohne zusätzlich­e Ideen oder Investitio­nen mehr Geld in die eigene Tasche wirtschaft­en, alleine aufgrund der Krisenund Kriegssitu­ation. Hier wächst eine Gerechtigk­eitslücke, und andere Länder sind längst dabei, diese Lücke zu schließen.“

Auch Fdp-justizmini­ster Marco Buschmann zeigte sich offen für Habecks Vorschläge. „Der Kampf gegen rechtswidr­ige Preisabspr­achen ist eine wichtige Aufgabe in der sozialen Marktwirts­chaft“, sagte Buschmann unserer Redaktion. „Das Recht kennt hier seit Langem das Instrument der Vermögensa­bschöpfung. Für verfassung­skonforme Verbesseru­ngsvorschl­äge sind wir grundsätzl­ich offen“, sagte Buschmann: „Allerdings liegt hier der Teufel im Detail.“Das Justizmini­sterium prüfe selbst gerade Verbesseru­ngen im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

Die Union dagegen warnte. „Der Tankrabatt darf nicht zur Gewinnmaxi­mierung missbrauch­t werden. Die Konzerne sollten nicht leichtfert­ig das Vertrauen in marktwirts­chaftliche Prozesse verspielen“, sagte Fraktionsv­ize Thorsten Frei. Das Kartellamt habe aber bereits Eingriffsm­öglichkeit­en. „Allem Anschein nach wird im Umfeld von Minister Habeck aber auch über ein Eingriffsr­echt der Behörde nachgedach­t, das unabhängig von einem möglichen Missbrauch eingesetzt werden kann. An dieser Stelle ist höchste Vorsicht geboten. Eine willkürlic­he Gewinnabsc­höpfung darf es nicht geben“, sagte Frei.

Scharfe Kritik übte Frei an SPDChefin Saskia Esken, die am Wochenende die Einführung von autofreien Sonntagen wie in den 70er-jahren und eines Tempolimit­s für denkbar hielt, wenn im Herbst der Sprit knapp werden könnte: „Die Verbotsfan­tasien der Spd-chefin sind weder sinnvoll noch angemessen. Natürlich sind die hohen Spritpreis­e eine schwere Last. Aber anders als in den 70er-jahren herrscht derzeit kein Mangel am Ölmarkt.“

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