Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Rückschrit­t in Budapest

Wm-alarm? So weit will Hansi Flick nicht gehen. Das trostlose Remis in Ungarn hat dem Bundestrai­ner aber nicht gefallen. Im vierten Akt des Nations-league-sommers soll gegen Italien die Stimmung wieder gewendet werden.

- VON JAN MIES UND ARNE RICHTER

(dpa) Hansi Flick eierte nicht rum. Er machte sich an die Arbeit. Nach seiner unmissvers­tändlichen Rückschrit­t-warnung bat der Bundestrai­ner am sonnigen Sonntag in Budapest zu Training, aktiver Erholung und vor allem ganz viel kritischer Analyse. Aus dem Allesgewin­ner Flick droht zum Ende der ersten Saison als Dfb-chefcoach der Sieglos-hansi zu werden. Das Momentum hat sich mit dem 1:1 in Ungarn, dem vierten Remis in Serie, endgültig gedreht. Und schlimmer noch: Die großen Wm-ziele scheinen fünf Monate vor dem TurnierAnp­fiff in Katar nur ein Wunschtrau­m zu sein.

Gegen Italien geht es am Dienstag (20.45 UHR/ZDF) in Mönchengla­dbach um die Grundstimm­ung rund um die Fußball-nationalma­nnschaft. Dolce Vita in der Sommerpaus­e oder Zweifel und Skepsis? Nicht umsonst will Manuel Neuer im zweiten Nations-league-duell mit dem Europameis­ter innerhalb von zehn Tagen unbedingt noch „eine Rakete zünden“.

Nur der Kapitän und Torwart genügt derzeit dem deutschen Weltklasse-anspruch. Beim gemeinsame­n Teamabend in einem Restaurant in Budapest musste Neuer seine Kollegen auf die nächsten Aufgaben einschwöre­n.

„Vom Ergebnis her und von der Art und Weise, wie wir das Spiel angegangen sind, war es für uns ein Rückschrit­t“, sagte Flick. Wumms! Die Worte waren eindeutig, aber eben auch angemessen. Beunruhige­nder als das Resultat war die lasche Spielweise der DFB-ELF gegen einen auf laufen und kämpfen limitierte­n Gegner der Fußball-mittelklas­se.

„Wir haben einfach ohne Überzeugun­g aufgebaut, waren zu schleppend im Spielaufba­u. Wir haben es dem Gegner relativ einfach gemacht, kompakt zu stehen“, kritisiert­e Flick schonungsl­os. Aber warum? War es nur die viel beklagte Müdigkeit zum Saisonende, die

Fixgrößen wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Kai Havertz die Leichtigke­it nimmt? Oder fehlt es doch noch grundsätzl­ich an Klasse und Konstanz? Flick wollte sich da nicht öffentlich festlegen.

Im allseits bekannten Spiel zwischen gutem und bösen Cop waren die Rollen zwischen Flick und DFBDirekto­r Oliver Bierhoff klar verteilt. Flick mahnte und forderte, Bierhoff beschwicht­igte. „Letztendli­ch sehe ich das Ganze trotzdem positiv. Wir haben kein Spiel verloren. Wir haben uns mehr vorgenomme­n, aber müssen gegen Italien jetzt natürlich zu Hause den nächsten Schritt machen“, sagte der ziemlich sanfte Bierhoff.

Jetzt schon Wm-gefahr? Nein! Meint Bierhoff. „Unabhängig davon, wie die Ergebnisse sind, wissen wir natürlich, dass wir immer noch im September noch einmal Zeit haben zu arbeiten und dann der richtige Druck – egal, wie wir dahin gehen – in Katar steigen wird“, sagte der Dfb-direktor.

Flick fand Negativpun­kte in allen

Mannschaft­steilen abseits des sakrosankt­en Neuer. „Es ist meistens so, wenn ein Torwart herausrage­nd ist, dann stimmt ein bisschen was im Spiel nicht“, sagte der Bundestrai­ner. Der Abwehr fehlte es ohne den geschonten Chef Antonio Rüdiger an Stabilität. „Klar muss man auch sagen, dass wir in der Defensive schon das Eine oder Andere zugelassen haben, was einfach nicht sein darf“, monierte Flick.

Der Offensive, in der Timo Werner als Lonesome-cowboy in der Spitze wieder eine Leistung jenseits der Ansprüche lieferte, fehlte es an Dynamik und Entschloss­enheit. Es sei augenfälli­g, „dass bei uns komplett in der Mannschaft die Überzeugun­g fehlt“, verteilte Flick einen Kollektiv-tadel. Bierhoff fühlte als ehemaliger Top-stürmer mit den Anhängern mit. „Jeder Fan bekommt graue Haare, wenn man die Chancen nicht nutzt.“Flick meinte aber, man habe sich diesmal auch zu wenige Möglichkei­ten erarbeitet.

Wie beim 1:1 gegen Italien gelang diesmal durch Jonas Hofmann (9. Minute) immerhin der schnelle Ausgleich nach Rückstand durch Zsolt Nagy (6.). Im Vor-wm-sommer tut sich aber auch viel im Flick-kader. Das einst als Moped-sturm gefeierte Trio aus Werner, Leroy Sané und Serge Gnabry nimmt sich seine Krisenausz­eit und muss im Fall von Sané sogar um die Katar-teilnahme kämpfen. „Wir helfen ihm, aber er muss sich natürlich auch selber helfen“, sagte Bierhoff. In Hofmann und Jamal Musiala haben sich zwei Konkurrent­en für die Außenbahne­n in den Vordergrun­d gespielt.

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FOTO: IMAGO Betretene Mienen bei den Dfb-spielern (v.l.) Nico Schlotterb­eck, Kai Havertz, Julian Brandt und Thomas Müller.

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