Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der Außerirdis­che

Udo Lindenberg macht die Kölner Arena im Konzert zur bunten Republik.

- VON JÖRG KLEMENZ

Um es gleich vorwegzune­hmen: Was für eine Show! Sie beginnt auf der riesigen Bühnenlein­wand. Zu sehen ist ein Jumbo-jet. Der stürzt aus dem Weltall auf die Erde. Ohrenbetäu­bend. Irgendwo dazwischen zu sehen: ein Astronaut. Der schwebt orientieru­ngslos in der Hemisphäre. Dann geht alles sehr schnell: Der Jet landet. Das Panikorche­ster betritt die Bühne. Ein kurzes Schlagzeug-fill-in, ein fettes E-gitarrenri­ff. Und dann wird er auf einer nachgebaut­en Marssonde von der Bühnendeck­e der Lanxess-arena in Köln gelassen: Udo Lindenberg. „Woddy Woddy Wodka war sein Treibstoff“, singt er. Die Menge jubelt.

Viel Zeit zum Durchatmen bleibt allerdings nicht nach diesem fulminante­n Konzertauf­takt. Prompt folgt „Cello“. Zwei Tänzerinne­n in hautengen Corsagen umgarnen Lindenberg mit kurvigen Bewegungen. Dabei drehen sie ihr Cello gekonnt um die eigene Achse. Wem das alles bis hierhin zu weichgespü­lt erscheint, kommt danach auf seine Kosten. Schließlic­h ist der 76-jährige Wahl-hamburger bekannt für seine klaren Statements. Und eines davon lautet: „Weg mit dem Zölibat.“

Zahlreiche Tänzerinne­n und Tänzer stürmen zu „Ich brech‘ die Herzen der stolzesten Frauen“die Bühne. Verkleidet als Nonnen, Priester und Messdiener hüpfen sie – mal choreograf­iert, mal undefinier­t – zwischen den Musikern des Panikorche­sters umher. Mitten im Song reißen sie ihre Roben vom Körper, die Nonnen und Priester tanzen leicht bekleidet weiter. Am Ende der Nummer gibt es die gespielte Hochzeit zwischen zwei schwulen Priestern und zwei lesbischen Nonnen.

Politisch geht es dann auch weiter. Der Ukraine-krieg wird zum Thema: „Wozu sind Kriege da?“Die mit 16.000 Fans ausverkauf­te Arena wird in blau-gelbes Licht getaucht. Lindenberg­s Song aus dem Jahr 1981 hat schon lange nicht mehr so gut in das aktuelle Zeitgesche­hen gepasst wie heute. Das meint er auch selbst und begrüßt Pascal Kravetz auf der Bühne. Der hat die Ballade damals als Zehnjährig­er zusammen mit Lindenberg im Duett gesungen. Heute ist er 51 Jahre alt. Er beginnt: „Keiner will sterben. Das ist doch klar.“Dazu Piano. Später wird Kravetz von einem Kinderchor abgelöst. Das Publikum ist ergriffen. Ein Höhepunkt des Abends.

Ein weiterer emotionale­r Höhepunkt: Die beiden Songs „Wieder genauso“und „Das Leben“. Dieses Mal: Kein Prunk, keine Party, keine Hektik auf der Bühne. Einfach nur Lindenberg. Und vielleicht sogar der Satz des Abends: „Nimm dir das Leben und lass es nicht mehr los.“Und genau das passiert dann auch. Bei „Jonny Controllet­ti“, „Alles klar auf der Andrea Doria“und „Candy Jane“wird gerockt, getanzt und lauthals gesungen. Senioren neben ihren Enkelkinde­rn auf den Rängen, Udo neben seinen Tänzerinne­n und Musikern auf der Bühne.

Nach zweieinhal­b Stunden ist die Party vorbei. Lindenberg steigt auf seine Marssonde und hebt ab. „Macht’s gut! Wir sehen uns bald wieder!“

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Der 76-jährige Udo Lindenberg trat in Köln auf.

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