Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Jazz-spektakel an vier Spielorten
Die Jazz Initiative bot erstmals nach zwei Jahren Zwangspause wieder Livemusik in verschiedenen Dinslakener Gaststätten.
(bes) Draußen genießen die Leute das sommerliche Samstagabendwetter, drinnen läuft Fußball. Aber das interessiert kaum jemand von denen, die den Weg ins „König am Altmarkt“oder ins „Schnierstrax“suchen. Der Weg führt an den Tresen vorbei in die kleinen Säle. Denn dort spielt die Musik. Nach zwei Jahren gab es am Samstag wieder ein Jazz Hopping in der Dinslakener Innenstadt. Vier Acts in vier Locations. Der Auftritt von Chris Kramer Beatbox ‘n’ Blues musste krankheitsbedingt kurzfristig abgesagt werden. Aber das Maaß, wo die drei Sets gespielt werden sollten, war Samstag auch so proppevoll. Die Absage machte es zudem auch möglich, von allen Akteuren zumindest je ein komplettes Set zu hören.
Jazz ist etwas für Kenner. Connaisseurs im Französischen, wo bei der Bedeutung auch etwas von Genießer mitschwingt. „Sind wir“, erklärt Achim Kleiner mit französischem Akzent, der zur Show dazu gehört. Aber noch etwas anderes steckt im Wort Les Connaisseurs: Conn, der Name des amerikanischen Saxophon-herstellers, dessen Instrumente bis zum zweiten Weltkrieg von außerordentlicher Qualität waren. Das Trio Gert Anklam (Sopransaxophon), Rainer Hanke (Altsaxophon) und Achim Kleiner (Baritonsaxophon) spielen diese damals noch in Handarbeit gefertigten Instrumente, die sich durch einen besonders warmen Sound auszeichnen.
Ein musikalischer Gruß in die Neustraße, das „Ba’re:se“wird zum
Buena Vista Social Club. „Chan Chan“zwischen Kaffee und Gin – die meisten Jazz Hopper bevorzugen ein Glas Wein. Das Trio hat Eigenkompositionen im Repertoire, zum „Kennenlernen“gibt es aber einen Standard: „Stand by me“hebt die Qualitäten der Connaisseurs hervor, Anklams geschmeidiges Sopransaxophonspiel, der Sound der drei alten Instrumente.
„Misirlou“tauchte um 1910 im östlichen Mittelmeer auf, Les Connnaisseurs finden in seinem harmonischen Raum zum Improvisieren zusammen: Solche Momente sind das Tolle am Jazz“, erklärt Kleiner. Weiter geht es nach Südamerika. Ein Highlight des ersten Sets im „Ba’re:se“: Astor Piazzollas „Libertango“in der Version für drei Saxophone mit Improvisationsteil.
Ein kräftiger Applaus und weiter geht es in die Tiefgarage der Stadtbibliothek Dinslaken, wo die Robert Mayer Band gerade ihr zweites Set vorbereitet. Neue Stücke, aber auch ein neues Publikum, dies ist schließlich das Konzept. Die Band um den Mann an Flügel, Hammond und Synth Bass spielt Mayers stilistisch vielfältige Eigenkompositionen. Saxophonist Philipp Sauer wechselt zwischen Hard Bop und Funk/fusion, aber ein roter Faden sind Mayers melodische, fließende Keyboardparts auf dem Schlagzeugspiel von Simon Petri.
„Different Ways“ist eine sanfte Ballade im Hammond-sound, bei „Pacific“hört man die Wellenbewegungen auf den Tasten. Mayer hat beim Komponieren ein offenes Ohr für seine Umgebung. Einmal holte er Rat bei seinem zehnjährigen Sohn, ein anderes Mal benannte er sein Stück nach der Außentemperatur: „39 Degrees“(die wurden am 9. August 2020 in Trier gemessen).
Angenehm kühl ist es in der Tiefgarage mit ihrer seitlichen Belüftung durch die offene Ein- und Ausfahrt. Im kleinen, aber gut gefüllten Saal von „Schnierstrax“behält man dann doch lieber die Maske auf, auch wenn dies nicht mehr gefordert wird. Das Jazzando Guitar Duo verjazzt Klassik-hits. Da entspannt sich Bachs Badinerie im leichten Swing und klingt Brahms Ungarischer Tanz Nr. 5 nach Gypsy-jazz.
Tropisch sind im „König am Altmarkt“nicht die Temperaturen bei geöffneten Fenstern, sondern die musikalischen Einflüsse. Tropical turn Quartett nennen sich die vier Musiker, die hier ihren Mix aus Latin und Jazz präsentieren. Eine E-GItarre, deren Saiten im Solo durchaus mal rockig-verzerrt übers Griffbrett hinaus bis in den Bereich der Tonabnehmer hin strapaziert werden dürfen, eine Trompete, die ihre improvisierten Soli auskostet und dazu ein Rhythmus-set, das links mit dem Drumstick und rechts mit der bloßen Hand gespielt wird. Eigentlich schade, dass man bei der Bestuhlung der Aufforderung zum Mittanzen nicht folgen kann.
Perkussionist Benny Mokross hat nicht nur die obligatorische Kiste mit den CDS neben sich. Man kann auch ein Buch von ihm kaufen. Was die Jazz Hopper an diesem Abend erleben, können sie sich in den teilnehmenden Kneipen untereinander noch bei Bier oder Wein erzählen.