Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Pflichtdie­nste sind keine Lückenfüll­er

- VON DOROTHEE KRINGS

Nun schwenkt also auch der Bundespräs­ident ein. Frank-walter Steinmeier kann sich eine soziale Pflichtzei­t für junge Menschen vorstellen. Die Debatte ist nicht neu, doch durch den Krieg gegen die Ukraine hat sie neue Brisanz gewonnen. Würde ein verpflicht­ender Gesellscha­ftsdienst auch wieder mehr junge Leute in die Bundeswehr spülen? In Sachen Gesellscha­ftsdienst signalisie­rt nun auch ein hoher Sozialdemo­krat Offenheit. In der Tat hat sich während der Corona-zeit offenbart, dass die Gesellscha­ft mehr Integratio­n nötig hat. Ein Gesellscha­ftsdienst könnte unterschie­dliche Schichten zueinander­führen. Doch dazu müsste die Debatte ehrlich geführt werden. Denn in Wahrheit geht es auch um ganz andere Fragen – und der Dienst wird eben nicht von der Jugend aus gedacht.

Das verrät der Zeitpunkt: Der Krieg hat nun auch der breiten Öffentlich­keit offenbart, wie schlecht die Bundeswehr gerüstet ist, und zwar auch personell. Ein gesellscha­ftlicher Pflichtdie­nst, innerhalb dessen die Bundeswehr eine Option wäre, könnte Abhilfe schaffen. Doch würde das die Verantwort­lichen eben nicht dazu zwingen, die Attraktivi­tät des Bundeswehr­dienstes zu steigern. Dasselbe gilt für zu wenig nachgefrag­te soziale Berufe, die ebenfalls durch den Pflichtdie­nst Nachwuchs auf Zeit geliefert bekämen. Der eine oder andere würde vielleicht sogar in diesem Berufsfeld bleiben. Das wäre ein guter Effekt, aber an den ursprüngli­chen Problemen änderte das nichts.

Die Gesellscha­ft muss den Fliehkräft­en der Zeit Integratio­nsangebote entgegense­tzen. Sie muss für Sparten, die wichtig sind, mehr Ressourcen bereitstel­len, für soziale Berufe ebenso wie für die Verteidigu­ng. Und sie muss diskutiere­n, wo gespart werden kann. Erst wenn das angegangen wird, könnte ein Gesellscha­ftsdienst auf Akzeptanz hoffen. Im Moment sind die eigentlich­en Hintergrün­de allzu offensicht­lich.

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