Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Pflichtdienste sind keine Lückenfüller
Nun schwenkt also auch der Bundespräsident ein. Frank-walter Steinmeier kann sich eine soziale Pflichtzeit für junge Menschen vorstellen. Die Debatte ist nicht neu, doch durch den Krieg gegen die Ukraine hat sie neue Brisanz gewonnen. Würde ein verpflichtender Gesellschaftsdienst auch wieder mehr junge Leute in die Bundeswehr spülen? In Sachen Gesellschaftsdienst signalisiert nun auch ein hoher Sozialdemokrat Offenheit. In der Tat hat sich während der Corona-zeit offenbart, dass die Gesellschaft mehr Integration nötig hat. Ein Gesellschaftsdienst könnte unterschiedliche Schichten zueinanderführen. Doch dazu müsste die Debatte ehrlich geführt werden. Denn in Wahrheit geht es auch um ganz andere Fragen – und der Dienst wird eben nicht von der Jugend aus gedacht.
Das verrät der Zeitpunkt: Der Krieg hat nun auch der breiten Öffentlichkeit offenbart, wie schlecht die Bundeswehr gerüstet ist, und zwar auch personell. Ein gesellschaftlicher Pflichtdienst, innerhalb dessen die Bundeswehr eine Option wäre, könnte Abhilfe schaffen. Doch würde das die Verantwortlichen eben nicht dazu zwingen, die Attraktivität des Bundeswehrdienstes zu steigern. Dasselbe gilt für zu wenig nachgefragte soziale Berufe, die ebenfalls durch den Pflichtdienst Nachwuchs auf Zeit geliefert bekämen. Der eine oder andere würde vielleicht sogar in diesem Berufsfeld bleiben. Das wäre ein guter Effekt, aber an den ursprünglichen Problemen änderte das nichts.
Die Gesellschaft muss den Fliehkräften der Zeit Integrationsangebote entgegensetzen. Sie muss für Sparten, die wichtig sind, mehr Ressourcen bereitstellen, für soziale Berufe ebenso wie für die Verteidigung. Und sie muss diskutieren, wo gespart werden kann. Erst wenn das angegangen wird, könnte ein Gesellschaftsdienst auf Akzeptanz hoffen. Im Moment sind die eigentlichen Hintergründe allzu offensichtlich.