Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Chatbot statt Concierge
In der Hotelbranche gibt es riesige Unterschiede beim Grad der Digitalisierung. Auch ein Kongress befasst sich nun mit dem Thema.
(dpa) Gerade bei Geschäftsreisenden wird es immer unpersönlicher: Wenn sie in einem Hotel einchecken, möchten viele nicht am Empfang Schlange stehen und Formulare ausfüllen. Es soll schnell gehen, am besten nur mit ein paar Klicks auf dem Smartphone. „Im Businessbereich gibt es einen großen Wunsch nach Digitalisierung und wenig Kontaktpunkten mit der Rezeption“, sagt Tobias Warnecke, Geschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland.
Ganz anders im Fünf-sterne-ressort „Der Öschberghof“: Hier werden Besucherinnen und Besucher schon vor der Tür persönlich empfangen, ein Concierge begleitet sie bis zum Zimmer. Eine Familie will an der Rezeption Räder mieten. Andere nutzen die Golfanlage in Donaueschingen. Die Anforderungen an Hotels unterscheiden sich sehr, wie Hotelmanager Michael Artner sagt. Doch auch im „Öschberghof“läuft vieles digital: Von der Kundenakquise bis zum Fragebogen im Nachgang des Aufenthalts. Vom Dienstplan, in dem Überstunden sekundengenau abgerechnet werden – was bei der Suche nach Fachkräften ein gutes Argument sei. Bis zur SmartphoneApp, über die Mitarbeitende Hinweise geben können: Entdeckt der Zimmerservice beispielsweise einen losen Handtuchhalter, kann er auf diesem Weg die Technik informieren. Täglich etwa 50 Tickets kämen so zusammen. In Veranstaltungsräumen wird die Lüftung dem Sauerstoffgehalt angepasst.
Digitalisierung spielt in der Branche seit Jahren eine Rolle – und wird nach Einschätzung von Verbandsmann Warnecke immer wichtiger: „In fünf bis zehn Jahren sind wir Meilen weiter.“Zwar hätten Hotels es mit als erste mit Bewertungen von Kunden im Internet zu tun gehabt, „aber wir müssen noch viel tun“. Auch der Deutsche Hotelkongress an diesem Dienstag und Mittwoch im Europa-park in Rust bei Freiburg steht unter dem Motto „Hotel der Zukunft – digital, innovativ, vielfältig“. Mithilfe von Computerprogrammen könne man besser sehen, wie viele Lebensmittel wirklich gebraucht werden, nennt Warnecke ein Beispiel. Chatbots beantworten Fragen zur Reise. Immer mehr Kunden tippten ihre Anliegen lieber, als sie am Telefon zu stellen.
Los geht es schon bei den Vorbereitungen einer Reise: Viele Kunden suchen im Internet nach Angeboten. Nach zwei Corona-jahren sei die Zahl der Suchanfragen nach Hotels in Deutschland wieder gestiegen – und sei sogar über dem Vor-pandemie-niveau, sagt Lutz Behrendt, der bei Google Deutschland den Reisesektor verantwortet. Bei Suchen nach „Last Minute Urlaub“betrage das Plus sogar 1075 Prozent.
In den Abfragen werden auch Trends infolge der Pandemie sichtbar, wie Behrendt sagt: So werde etwa nach Unterkünften gesucht, die Hunde erlauben oder in denen man mehr als 30 Tage übernachten kann – Stichwort Staycation. „Es gibt sehr viele neue Nischenanfragen“, sagt der Fachmann, der auch als Redner beim Hotelkongress in Rust erwartet wird. Hoteliers können dem bei Google mit Unternehmensprofilen begegnen, in denen sie sehr detailliert ihre Angebote präsentieren.
Gerade beim Onlinemarketing und -vertrieb müssten viele in der Branche besser werden, räumt Verbands-geschäftsführer Warnecke ein. Zwar hätten im Grunde sämtliche Häuser eine Website, aber längst nicht alle eine Online-buchungsoption. Ausgaben für Digitalisierung seien nachhaltige Investitionen, die Effekte nicht unbedingt sofort spürbar, erklärt Artner. Am Ende helfen sie zum Beispiel, Energie zu sparen, Zettelwirtschaft zu vermeiden und den Service für die Kunden zu erhöhen.
Zudem wollen die Hotels die Abhängigkeit von Buchungsportalen reduzieren. 30, manchmal bis zu 60 Prozent der Buchungen kämen auf diesem Weg, sagt Tobias Warnecke. Erst im vergangenen Jahr hatten Hotels erfolgreich am Bundesgerichtshof erstritten, dass sie auf der eigenen Internetseite ihre Zimmer ungestraft günstiger anbieten können als etwa auf Portalen wie Booking.com, HRS und Expedia, wo Provisionen fällig werden. Die Plattformen dürften dies nicht über sogenannte Bestpreisklauseln in ihren Verträgen unterbinden, entschied der Kartellsenat. Dennoch sieht Warnecke hier Baustellen. Er stellt fest: „Die Portale versuchen, sich zwischen Hotel und Gast zu drängen.“So sei mitunter keine direkte Kommunikation möglich, weil E-mail-adressen nicht herausgegeben würden.
Wichtig ist aus Sicht der Hotelerie-fachleute auch, dass der Meldeschein endlich digitalisiert werde. Noch immer muss – gesetzlich vorgeschrieben – hier eine handschriftliche Unterschrift des Gastes drunter.