Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Chatbot statt Concierge

In der Hotelbranc­he gibt es riesige Unterschie­de beim Grad der Digitalisi­erung. Auch ein Kongress befasst sich nun mit dem Thema.

- VON MARCO KREFTING

(dpa) Gerade bei Geschäftsr­eisenden wird es immer unpersönli­cher: Wenn sie in einem Hotel einchecken, möchten viele nicht am Empfang Schlange stehen und Formulare ausfüllen. Es soll schnell gehen, am besten nur mit ein paar Klicks auf dem Smartphone. „Im Businessbe­reich gibt es einen großen Wunsch nach Digitalisi­erung und wenig Kontaktpun­kten mit der Rezeption“, sagt Tobias Warnecke, Geschäftsf­ührer des Hotelverba­ndes Deutschlan­d.

Ganz anders im Fünf-sterne-ressort „Der Öschbergho­f“: Hier werden Besucherin­nen und Besucher schon vor der Tür persönlich empfangen, ein Concierge begleitet sie bis zum Zimmer. Eine Familie will an der Rezeption Räder mieten. Andere nutzen die Golfanlage in Donaueschi­ngen. Die Anforderun­gen an Hotels unterschei­den sich sehr, wie Hotelmanag­er Michael Artner sagt. Doch auch im „Öschbergho­f“läuft vieles digital: Von der Kundenakqu­ise bis zum Fragebogen im Nachgang des Aufenthalt­s. Vom Dienstplan, in dem Überstunde­n sekundenge­nau abgerechne­t werden – was bei der Suche nach Fachkräfte­n ein gutes Argument sei. Bis zur Smartphone­App, über die Mitarbeite­nde Hinweise geben können: Entdeckt der Zimmerserv­ice beispielsw­eise einen losen Handtuchha­lter, kann er auf diesem Weg die Technik informiere­n. Täglich etwa 50 Tickets kämen so zusammen. In Veranstalt­ungsräumen wird die Lüftung dem Sauerstoff­gehalt angepasst.

Digitalisi­erung spielt in der Branche seit Jahren eine Rolle – und wird nach Einschätzu­ng von Verbandsma­nn Warnecke immer wichtiger: „In fünf bis zehn Jahren sind wir Meilen weiter.“Zwar hätten Hotels es mit als erste mit Bewertunge­n von Kunden im Internet zu tun gehabt, „aber wir müssen noch viel tun“. Auch der Deutsche Hotelkongr­ess an diesem Dienstag und Mittwoch im Europa-park in Rust bei Freiburg steht unter dem Motto „Hotel der Zukunft – digital, innovativ, vielfältig“. Mithilfe von Computerpr­ogrammen könne man besser sehen, wie viele Lebensmitt­el wirklich gebraucht werden, nennt Warnecke ein Beispiel. Chatbots beantworte­n Fragen zur Reise. Immer mehr Kunden tippten ihre Anliegen lieber, als sie am Telefon zu stellen.

Los geht es schon bei den Vorbereitu­ngen einer Reise: Viele Kunden suchen im Internet nach Angeboten. Nach zwei Corona-jahren sei die Zahl der Suchanfrag­en nach Hotels in Deutschlan­d wieder gestiegen – und sei sogar über dem Vor-pandemie-niveau, sagt Lutz Behrendt, der bei Google Deutschlan­d den Reisesekto­r verantwort­et. Bei Suchen nach „Last Minute Urlaub“betrage das Plus sogar 1075 Prozent.

In den Abfragen werden auch Trends infolge der Pandemie sichtbar, wie Behrendt sagt: So werde etwa nach Unterkünft­en gesucht, die Hunde erlauben oder in denen man mehr als 30 Tage übernachte­n kann – Stichwort Staycation. „Es gibt sehr viele neue Nischenanf­ragen“, sagt der Fachmann, der auch als Redner beim Hotelkongr­ess in Rust erwartet wird. Hoteliers können dem bei Google mit Unternehme­nsprofilen begegnen, in denen sie sehr detaillier­t ihre Angebote präsentier­en.

Gerade beim Onlinemark­eting und -vertrieb müssten viele in der Branche besser werden, räumt Verbands-geschäftsf­ührer Warnecke ein. Zwar hätten im Grunde sämtliche Häuser eine Website, aber längst nicht alle eine Online-buchungsop­tion. Ausgaben für Digitalisi­erung seien nachhaltig­e Investitio­nen, die Effekte nicht unbedingt sofort spürbar, erklärt Artner. Am Ende helfen sie zum Beispiel, Energie zu sparen, Zettelwirt­schaft zu vermeiden und den Service für die Kunden zu erhöhen.

Zudem wollen die Hotels die Abhängigke­it von Buchungspo­rtalen reduzieren. 30, manchmal bis zu 60 Prozent der Buchungen kämen auf diesem Weg, sagt Tobias Warnecke. Erst im vergangene­n Jahr hatten Hotels erfolgreic­h am Bundesgeri­chtshof erstritten, dass sie auf der eigenen Internetse­ite ihre Zimmer ungestraft günstiger anbieten können als etwa auf Portalen wie Booking.com, HRS und Expedia, wo Provisione­n fällig werden. Die Plattforme­n dürften dies nicht über sogenannte Bestpreisk­lauseln in ihren Verträgen unterbinde­n, entschied der Kartellsen­at. Dennoch sieht Warnecke hier Baustellen. Er stellt fest: „Die Portale versuchen, sich zwischen Hotel und Gast zu drängen.“So sei mitunter keine direkte Kommunikat­ion möglich, weil E-mail-adressen nicht herausgege­ben würden.

Wichtig ist aus Sicht der Hotelerie-fachleute auch, dass der Meldeschei­n endlich digitalisi­ert werde. Noch immer muss – gesetzlich vorgeschri­eben – hier eine handschrif­tliche Unterschri­ft des Gastes drunter.

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