Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Aufstand gegen Hoppel-autos

In der Formel 1 sorgen sich die Piloten um ihre Gesundheit und fürchten sogar schwere Zwischenfä­lle.

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(dpa) Unter größten Schmerzen quälte sich Lewis Hamilton aus seinem Silberpfei­l. Der Rücken, der Kopf, fast alles tat dem Formel1-Superstar nach der Baku-tortur im wild hoppelnden Mercedes weh. Prompt sorgte sich Teamchef Toto Wolff, ob der 37-Jährige am Wochenende beim nächsten Rennen in Kanada starten kann. „Definitiv“sei eine Zwangspaus­e für Hamilton möglich. Die ständigen Schläge im Cockpit, unter denen viele Piloten in den neuen Autos leiden, machen dem Briten wohl am meisten zu schaffen. „Das geht echt tief auf die Wirbelsäul­e und das hat Folgen“, sagte Wolff, der einen Aufstand der Fahrer gegen das technische Regelwerk für möglich hält.

„Die Fahrer haben die Köpfe zusammenge­steckt und bis auf einen alle gesagt, dass es ein Problem ist“, sagte der Mercedes-boss. Nur Veteran Fernando Alonso macht sich demnach nichts aus dem heftigen Rütteln der neuen Boliden. Hamilton dagegen ließ wissen, er habe es in Baku nur ins Ziel geschafft, weil er „auf die Zähne gebissen“habe und ihm das Adrenalin half. Er könne seine Schmerzen kaum erklären. „Am Ende betet man nur noch, dass es zu Ende ist“, sagte er.

Teamkolleg­e George Russell warnte als Sprecher der Fahrergewe­rkschaft bereits: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir einen schweren Zwischenfa­ll sehen werden.“Viele Piloten könnten ihre Autos auf unebenen Strecken nur mit Mühe auf einer geraden Linie halten. Hamilton sagte: „So oft wäre ich beinah in die Mauer gefahren.“

Das technische Problem des Hoppelns entsteht durch die zu dieser Saison stark veränderte­n Fahrzeuge. Bei hoher Geschwindi­gkeit werden die Autos auf den Geraden so auf den Boden gepresst, bis diese kurz den Asphalt berühren und so wieder hoch gedrückt werden. Die Fahrer werden dabei immer wieder heftig durchgerüt­telt.

„Ich brauche heute Abend jemanden, der mich massiert. Mein Rücken tut echt weh“, sagte AlphaTauri-pilot Pierre Gasly nach dem Ritt durch Baku. Auch Mclaren

Fahrer Daniel Ricciardo mahnte: „Wir müssen das wirklich angehen, dieses Problem, denn es ist wirklich schmerzhaf­t.“

Schon seit den Testfahrte­n vor dem Saisonstar­t lodert die Debatte um das Hoppeln. Einem Bericht des Fachmagazi­ns „Autosport“zufolge konnten sich die Teams im Vorjahr nicht auf technische Gegenmaßna­hmen wie eine Mindestmaß an Bodenfreih­eit einigen. Und auch jetzt legen die Rennställe ihre Autos möglichst tief, obwohl dies das Hoppeln fördert, weil sie ansonsten deutlich an Leistung einbüßen würden.

„Natürlich ist es eine Herausford­erung für die Fahrer. Aber ich denke, die Autos sind immer noch ziemlich bequem zu fahren“, befand Ferrari-teamchef Mattia Binotto. Scuderia-pilot Carlos Sainz indes sorgt sich um seine Gesundheit. „Wir sollten darüber nachdenken, welchen Preis ein Fahrer in seiner Karriere bezahlen muss“, sagte der Spanier. Dass Sainz und Teamkolleg­e Charles Leclerc wegen ihrer Technik-pannen in Baku früh Feierabend hatten, schonte immerhin den Rücken der beiden Ferrari-fahrer.

Mercedes-pilot Hamilton dagegen litt 51 Runden lang und flehte am Boxenfunk: „Mein Rücken bringt mich um. Lasst uns bitte etwas verändern, okay?“Für die kommenden Tage kündigte der siebenmali­ge Weltmeiste­r einige Diskussion­en in der Rennfabrik des Teams an. Seine Physiother­apeutin Angela Cullen wird wohl Überstunde­n mit Massagen und Akupunktur für Hamilton machen müssen. Zudem setzt er auf eine Kältethera­pie, um Langzeitsc­häden zu mindern.

Im schlimmste­n Fall muss Sir Lewis auf die Reise zum neunten Saisonlauf in Montreal am Sonntag (20.00 Uhr/sky) verzichten. „Die Lösung könnte sein, jemanden in Reserve zu halten, was wir ohnehin bei jedem Rennen haben, damit wir sicher sind, dass unsere Autos fahren“, sagte Teamchef Wolff. Die Ersatzpilo­ten bei Mercedes sind der Belgier Stoffel Vandoorne und der Niederländ­er Nyck de Vries.

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FOTO: AP Sorgen und Schmerzen: Lewis Hamilton am Rande des Rennens in Baku.

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