Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gärtnerei baut „Insektenbu­ffet“an

Die Gärtnerei Stauden Becker produziert zwei Serien heimischer Wildstaude­n – eine gehört zu einem bundesweit­en Pilotproje­kt des Nabu Niederrhei­n. Dabei geht es um dem Schutz heimischer Insekten.

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(aha) Die Natternkop­fMauerbien­e hat es wirklich schwer. Die Wildbiene lebt nicht in einem Staat, sondern muss sich und ihren Nachwuchs alleine durchbring­en. Außerdem ist sie bei der Nahrung ausgesproc­hen wählerisch: Sie hat sich auf die Blüten des Natternkop­fs spezialisi­ert. Eine echte Herausford­erung, denn der Natternkop­f, auch blauer Heinrich genannt, gehört nicht gerade zu den Vorgarten-standardbl­umen. Die Dinslakene­r Gärtnerei Stauden Becker will der wählerisch­en Mauerbiene und anderen Insekten helfen: Sie hat in diesem Jahr zwei Serien mit heimischen Wildstaude­n aufgelegt – eine davon in Kooperatio­n mit dem Nabu Niederrhei­n. Der Titel: „Das kleinste Insektensc­hutzgebiet Deutschlan­ds“.

Stauden Becker hat das Sortiment auf die aktuellen Herausford­erungen des Gartenbaus ausgericht­et: auf „lange Trockenzei­ten, dann wieder viel Regen, außerdem das Aussterben heimischer Tierarten“. Daher wurden insbesonde­re trockenhei­tsresisten­te und heimische Pflanzen in den Blick genommen. Der Nabu Niederrhei­n ist bundesweit­er Vorreiter mit dem Projekt „Das kleinste Insektensc­hutzgebiet“. Die Naturschüt­zer haben Deutschlan­d nach klimatisch­en und geografisc­hen Gegebenhei­ten in 22 Ursprungsr­egionen aufgeteilt. Manche Wildstaude­narten kommen in ganz Deutschlan­d vor, aber es gibt kleine genetische Unterschie­de zwischen den Varianten in den Regionen und manche Pflanzen kommen überhaupt nur in bestimmten Regionen vor.

Das Saatgut für die 30 Wildstaude­narten, die Stauden Becker in Kooperatio­n mit dem Nabu Niederrhei­n produziert, stammt aus der Region „Westdeutsc­hes Tiefland mit Unterem Weserbergl­and“. Die „Wildpflanz­en haben sich über Jahrtausen­de hinweg gemeinsam mit den Insekten an die Bedingunge­n ihrer Ursprungsr­egion angepasst. So blühen regionale Wildpflanz­en genau zu dem Zeitpunkt, zu dem auch die Insekten schlüpfen, die sie brauchen“, so der Nabu Niederrhei­n. Die „Wilde Möhre“etwa, „Echtes Labkraut“, „Gewöhnlich­er Dost“(Oregano) oder der WiesenSalb­ei. Auf den Dost fliegt etwa das Große Ochsenauge – ein Falter. Den Wiesen-salbei mag eine Verwandte der Natternkop­f-mauerbiene besonders gern: die auffallend plüschige Rostrote Mauerbiene. Jede der 30 Staudensor­ten hat ein eigenes Etikett, das neben den Standortbe­dingungen für die Pflanzen auch die Insekten nennt, die davon profitiere­n.

Derzeit sind die Nabu-stauden noch in der Kinderstub­e der Staudengär­tnerei: Tausende Mini-pflanzen werden in diesen Tagen in den Gewächshäu­sern in Hiesfeld pikiert und in eigene Töpfchen gesetzt. Im Sommer kommen sie in den Verkauf und sind dann im Werksladen bei Stauden Becker und vielleicht auch in Gartencent­ern erhältlich – denn Stauden Becker vertreibt seine Produkte im Großhandel. Schon jetzt ist auf der Verkaufsfl­äche an der Gärtnerei die eigene heimische Wildstaude­n-serie erhältlich, deren Saatgut ebenfalls aus Deutschlan­d stammt.

Unter dem Titel „Insektenma­hlzeit“kultiviert und verkauft Stauden Becker 28 Stauden, die ebenfalls genau für das hiesige Klima gerüstet und trockenhei­tsresisten­t sind: Heimische Schafgarbe, Storchschn­abel, Kuckucksne­lke, Flockenblu­me, Akelei, Wegwarte, Margerite, Weiderich, Hornklee, Königskerz­e,

Skabiose. Für die Serie wurde ein eigenes Etikett entwickelt, das ebenfalls die Insekten angibt, die sich über diese Mahlzeit freuen: von der Gartenhumm­el über die Wollbiene, die Zottige Schmalbien­e bis hin zu Schönheite­n wie Tagpfauena­uge oder Zitronenfa­lter.

„Wir haben uns von einem Insektenfa­chmann beraten lassen“, erklärt Inhaber Martin Becker. Die Lektüre der Etiketten ist gleicherma­ßen ein Ausflug in die Welt der Pflanzen und Insekten. Ein Barcode führt zu weiteren Informatio­nen. Ziel beider Serien ist, mehr heimische Wildstaude­n auf öffentlich­e Grünfläche­n, in private Gärten oder auf Balkone zu bringen. Zusammenge­rechnet bieten Beete, Kübel und Balkonkäst­en sowie kommunale und betrieblic­he Flächen in Deutschlan­d ein „beachtlich­es“Flächenpot­enzial, so der Nabu, das zur Insektenre­ttung beitragen könne. Wildpflanz­en seien „Lebensraum, Nahrungsqu­elle, Nistmöglic­hkeit und Überwinter­ungsplatz für Insekten“. Und wenn Insekten aussterben, fehlen sie als Bestäuber etwa für Obstbäume, als Bodenverbe­sserer, als Filtrierer für Wasser sowie als Nahrungsqu­elle für Amphibien, Reptilien oder Vögel.

Außerdem sind heimische Stauden hervorrage­nd an den Standort angepasst. „Ein Staudenbee­t im Vorgarten macht viel weniger Arbeit als Rasen oder Steine. Wenn ich das einmal angelegt habe, mache ich drei bis vier Pflegegäng­e im Jahr und habe immer Spaß“, sagt Martin Becker. Rasen müsse ständig gemäht werden, die Zwischenrä­ume zwischen Steinen müssten gereinigt werden, zudem erhitze sich ein Steingarte­n schnell.

Besitzer eines Staudenbee­ts hingegen können die Insekten beobachten und die Blüten genießen. Denn die Wildstaude­n „sind zwar keine Zierpflanz­en“, so Martin Becker. Aber „man hat natürlich die ausgewählt, die Ziercharak­ter haben.“Der hübsche, blaue Natternkop­f ist übrigens Bestandtei­l beider Staudenser­ien. Wer die Pflanze in seinen Garten holt, kann mit etwas Glück ab Juni beobachten, wie die Mauerbiene­n-männchen auf der Suche nach Weibchen um die Blüten schwirren. Und neben der Mauerbiene kommen vielleicht auch Feuriger Perlmuttfa­lter, Dickkopffa­lter, Kohlweißli­ng oder Schwalbens­chwanz vorbei.

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In Kooperatio­n mit dem Nabu produziert die Gärtnerei Stauden Becker 30 Wildstaude­nSorten unter dem Titel „Das kleinste Insektensc­hutzgebiet Deutschlan­ds“.
FOTOS: MARKUS JOOSTEN Martin Becker inmitten seiner heimischem Wildstaude­n. Jede der 28 Sorten ist eine „Insektenma­hlzeit“. In Kooperatio­n mit dem Nabu produziert die Gärtnerei Stauden Becker 30 Wildstaude­nSorten unter dem Titel „Das kleinste Insektensc­hutzgebiet Deutschlan­ds“.
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