Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Opfer als Zeugen im Missbrauchsprozess
Es ist der zweite von mindestens 27 Verhandlungstagen im Prozess gegen einen Kölner Fotografen, der sechs Kinder-models über Jahre sexuell missbraucht haben soll. Der 53-Jährige schweigt. Seine Verteidiger hatten vor Beginn des Prozesses mitgeteilt, ihr Mandant bestreite die schweren Vorwürfe. Am Dienstag waren die ersten mutmaßlichen Opfer als Zeugen geladen. Es sind zwei Brüder, die vor 20 Jahren als Kinder viel mit dem Fotografen unterwegs waren, oft ohne die Mutter. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, einen der Brüder, der damals Grundschüler war, auf einer Reise zu einem Fotoshooting nach Sardinien in einem Hotelzimmer sexuell missbraucht zu haben. Seinen Bruder soll er bei einer anderen Gelegenheit in einer Penthouse-wohnung in Köln missbraucht haben.
Andrea Schuldt, die Anwältin der Brüder, die neben drei weiteren mutmaßlichen Opfern im Prozess auch als Nebenkläger auftreten, beantragt vor der Zeugenvernehmung, die Öffentlichkeit vom Prozess ausschließen zu lassen. „Es ist zu erwarten, dass Umstände aus den persönlichen Lebensbereichen meiner Mandanten zur Sprache kommen, die den Schutz ihrer Privatsphäre verletzen würden“, sagt sie. Die Verteidigung ist gegen einen Ausschluss der Öffentlichkeit – die Brüder seien erwachsen und lebten noch nicht einmal in Deutschland, sagt Rechtsanwalt Ulrich Sommer.
Der Vorsitzende Richter verkündet aber nach einer Beratungspause, dass Zuschauer und Journalisten den Saal verlassen müssen, während die Brüder vernommen werden. Vermutlich werden auch die anderen mutmaßlichen Opfer hinter verschlossenen Türen gehört werden. Der Ausschluss der Öffentlichkeit gilt auch für die Plädoyers und das letzte Wort des Angeklagten.
Der Fotograf wurde in 17 Fällen des teils schweren sexuellen Missbrauchs angeklagt. Die mutmaßlichen Opfer waren zwischen sieben und 13 Jahre alt, als der Fotograf sich an ihnen vergangen haben soll. Die Taten soll er zwischen 1999 und 2021 begangen haben. In einem Fall geht es um den Besitz eines kinderpornografischen Bildes, das auf seinem Handy entdeckt worden war.
Der Prozess läuft bis Ende September. Sollte der Angeklagte verurteilt werden, droht ihm eine Freiheitsstrafe von zwei bis 15 Jahren.