Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Preise in NRW steigen um 8,1 Prozent
Die Inflationsrate im Land liegt über dem Bundesdurchschnitt. Erheblich teurer sind im vergangenen Mai zum wiederholten Mal Energie und Lebensmittel geworden. Eine Entspannung ist vorerst nicht in Sicht.
Weniger als ein Viertel der deutschen Bevölkerung war zum Ende des vorvergangenen Jahres 60 Jahre oder älter. Heißt: Der größte Teil der Deutschen hat den Winter 1973/1974 zumindest nicht so bewusst erlebt, dass er/sie sich seinerzeit große Sorgen um steigende Preise gemacht hätte. Für diese Gruppe ist die Inflationsrate von 8,1 Prozent, wie sie NRW im Mai dieses Jahres verzeichnet hat, lange unvorstellbar gewesen. Das Land liegt mit diesem Wert noch einmal leicht über jenen 7,9 Prozent, die das Statistische Bundesamt am Dienstag für das gesamte Bundesgebiet offiziell bekannt gegeben hat. Die erste Schätzung auf Basis der Daten aus mehreren Bundesländern von Ende Mai hat sich damit nicht verändert.
In diesen Tagen jagt ein bedenklicher Superlativ den nächsten: die höchste Preissteigerungsrate seit der Ölkrise der 70er-jahre, der stärkste Anstieg der Lebensmittelpreise seit der Wiedervereinigung, das größte Plus seit 60 Jahren bei den Erzeugerpreisen der Bauern, die vermutlich teuersten Tankfüllungen aller Zeiten, bei denen der Tankrabatt aktuell nur begrenzt greift. Vor dessen Einführung sind Kraft- und Schmierstoffe in Nordrhein-westfalen im Mai übrigens noch einmal um 40 Prozent teurer geworden.
Bis zu einem möglichen Ende der hohen Preissteigerungsraten müssen wir uns noch gedulden, auch wenn es noch in diesem Jahr mithilfe womöglich mehrerer Zinssteigerungen noch ein bisschen Entspannung geben könnte. Das Institut der deutschen Wirtschaft beispielsweise hat für das Gesamtjahr 2022 eine Inflationsrate von sechs Prozent und für das kommende Jahr eine Halbierung auf drei Prozent vorausgesagt. Aber auch diese Voraussage wird sich nur halten lassen, wenn die Produktion normal funktioniert, die Auswirkungen des Krieges und die Störungen in den Lieferketten also nachlassen. Das Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) glaubt, dass die Inflation „mindestens bis zum Jahresende“hoch bleibt.
Starke Preissteigerungen gibt es auch in NRW unter anderem beim Getreide, das wegen des Lieferausfalls aus der Ukraine und der Sanktionen gegen Russland massiv teurer geworden ist. Auch die von den heimischen Landwirten angebotenen Produkte haben sich im Mai deutlich verteuert. Fleisch und Fleischwaren sind im Jahresvergleich um mehr als 17 Prozent teurer geworden, Molkereiprodukte und Eier um rund 14, Brot und Getreideerzeugnisse um mehr als 13 Prozent, wie die Statistikbehörde IT NRW mitteilt. Daran wird sich vorerst auch nichts ändern, weil der Dünger für Deutschlands Landwirte enorm teuer geworden ist, weil auch sie unter den hohen Energiekosten leiden und der Handel seine Margen verteidigen will. Das spüren Verbraucher im Supermarkt und beim Discounter. Die Erzeugerpreise für pflanzliche Produkte seien um 45, jene für tierische um fast 36 Prozent gestiegen, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Sein Fazit: „Wir brauchen höhere Preise, um überhaupt weiter produzieren zu können.“
Energie und Lebensmittel bleiben also die Treiber der Inflationsrate. Zieht man die beiden Gruppen aus der Betrachtung heraus, bleibt „nur“noch eine Inflationsrate von etwa 3,5 Prozent. Wobei die auch dann noch deutlich über dem für die Eurozone veranschlagten Ziel von zwei Prozent läge. Auf der anderen Seite gibt es tatsächlich auch noch Produkte respektive Produktgruppen, bei denen die Preise gefallen sind. Zu denen gehören Versicherungen für die Wohnung (Gebäude, Hausrat), Telekommunikationsleistungen und Fernseher. Aber hierbei sind die Preisrückgänge so geringfügig, dass sie nicht mehr ins Gewicht fallen.