Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

So sorgen Schiedsleu­te für Einigung

Aktuell haben die Ehrenamtle­r wieder mehr zu tun. Ihre Erfolgsquo­te ist hoch.

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(eka) „Ja, wohl dem, der sein Feld bestellt in Ruh, und ungekränkt daheim sitzt bei den Seinen.“Und was passiert, wenn man nicht ungekränkt daheim sitzt, sondern möglicherw­eise ständig gekränkt oder sogar schikanier­t wird? Weil die Hecke des Nachbarn immer ein paar Zentimeter zu hoch ist, der Hund regelmäßig im Vorgarten einen Haufen hinterläss­t, die Nachbarski­nder ständig das Grundstück betreten oder die eigene Frau als „dumme Gans“beschimpft wird? Friedrich Schiller hatte schon recht, als er auf den eingangs zitierten Satz seinen Wilhelm Tell antwortete­n ließ: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“

Damit aber der Frömmste nicht immer übertreibt, und der böse Nachbar wieder verträglic­h wird, gibt es auch in Wesel seit Jahrzehnte­n das Schiedsamt. Schon Ende des 18. Jahrhunder­ts wurde in Frankreich eine vorgericht­liche Schlichtun­gsstelle eingeführt. Unter dem Einfluß des französisc­hen Code Civile wurde mit Beginn des 19. Jahrhunder­ts diese Idee auch in Preußen übernommen.

In Wesel gibt es aktuell sechs Schiedsamt­sbezirke. Tätig sind hier: Magret Radsak, Jutta Kiefer, sie ist auch Obfrau der Schiedsleu­te, Jörg Thelen, Heinrich Awater, Rolf Meißler und Bernhard Tepass. Sie wohnen in ihren Amtsbezirk­en und sind daher mit den örtlichen Gegebenhei­ten und Gepflogenh­eiten gut vertraut. Wird eine Neubesetzu­ng erforderli­ch, informiert die Stadt darüber. Aus den in der Regel wenigen Bewerbern wählt der Rat der Stadt in nichtöffen­tlicher Sitzung geeignete Kandidaten aus, die für fünf Jahre gewählt werden. Die Bestätigun­g und Vereidigun­g erfolgt dann durch das Amtsgerich­t.

Die Gebühren sind übrigens moderat: Eine Schlichtun­gsverhandl­ung kostet zwanzig Euro, bei einem Vergleich werden 30 Euro fällig. Interessie­rte Bürger, die diese Tätigkeit wahrnehmen möchten, sollten über ein ausgeprägt­es Rechtsempf­inden verfügen. „Man muss gut zuhören und sich in eine Sache reindenken können,“erzählt Jutta Kiefer. War es im ohnehin „friedliche­n Wesel“während der Corona-pandemie recht still, so gibt es in Zeiten von Karneval und Schützenfe­sten wieder vermehrt Fälle, wie Heinrich Atwater berichtet. Dann passiere es schon mal, dass die heimische Toilette zu weit weg sei und gerade ein Garten oder eine Garagenein­fahrt Erleichter­ung verspreche. Alkoholisi­ert rutsche auch eine üble Nachrede mal schneller raus. Ein gewisser Altersstar­rsinn mache sich mitunter öfter bemerkbar, wie die Schiedsleu­te berichten. Dann sind sie bisweilen auch machtlos, denn sie fällen weder ein Urteil, noch geben sie einer Seite recht.

Aber in weit mehr als der Hälfte der Verfahren kommt es zu einer Einigung. Noch häufiger und erfolgreic­her sind die „Tür- und Angelfälle“, die ohne eigentlich­es Verfahren im Vorwege gelöst werden. Bereits seit einigen Jahren ist Margret Radsak als Schiedsfra­u tätig. Sie weiß: „Wenn am Ende beide Partien den Eindruck haben, sie haben etwas gewonnen, war es ein besonders gelungenes Verfahren.“

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FOTO: MARKUS WEISSENFEL­S Die Schiedsleu­te aus Wesel erreichen bei mehr als der Hälfte aller Verfahren eine Einigung.

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