Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein Buch ohne Bedeutung?
Vor nunmehr 30 Jahren konnte Robert Schneider mit seinem Roman „Schlafes Bruder“einen internationalen Bestseller-erfolg erzielen – an den er allerdings mit seinen danach veröffentlichten Romanen und Erzählungen nie wieder anknüpfen konnte.
Das wird ihm auch mit seinem jüngsten Erzählband nicht gelingen, obwohl es sich dabei um eine überaus lesenswerte Sammlung pointierter Kurzgeschichten handelt. Die 101 Kurztexte des Bandes sind, anders als es der provozierend-selbstironische Titel „Buch ohne Bedeutung“unterstellt , randvoll mit mehr oder minder gut getarnten Bedeutungshinweisen und lassen sich insgesamt als altersweise Huldigung an die Schönheit des Lebens lesen
Gattungsmäßig begegnen der Leserin und dem Leser hier Anekdoten, autobiografische Notizen und Humoresken, Märchen und Fabeln, in denen nicht nur Menschen, sondern auch Tiere, Pflanzen oder Steine sich Gedanken machen über aktuelle gesellschaftliche Streitfragen wie über den tieferen Sinn des Lebens. Da streiten sich zum Beispiel zwei Schuhe über die allgemeine und politische Bedeutung von „Links“und „Rechts“oder ein „Mann mit Hut“setzt den Aufgeregtheiten der öffentlichen Debatten den Humor und die Gelassenheit des Alters entgegen. Da diskutieren Einkaufswagen über die kapitalistische Marktwirtschaft oder Kühe halten sich ihre wechselseitigen Klimabilanzen vor.
Die oft humorvollen und immer poetisch dichten Prosa-miniaturen enthüllen die Absurdität mancher gesellschaftlicher Debatten und münden in den Appell, doch möglichst entspannt im Hier und Jetzt zu leben und die Welt als Wunder anzunehmen. Sie beeindrucken mit einer Mischung aus Verspieltheit und gedanklicher Tiefe und bieten kluge Unterhaltung und – eine genaue Lektüre vorausgesetzt – viele Anstöße zum Nachdenken.
Robert Schneider: Buch ohne Bedeutung, Wallstein Verlag, Göttingen 2022