Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Impfstoff für alle

Die Welthandel­sorganisat­ion hebt den Patentschu­tz auf Covid-19-vakzine auf.

- VON JAN DIRK HERBERMANN

Am Freitagmor­gen startete die letzte Verhandlun­gsrunde der Welthandel­sorganisat­ion ( WTO). Die Delegation­schefs kamen in der Genfer Wto-zentrale noch einmal zusammen: Ermüdet und erschöpft segneten die Handelsdip­lomaten die Beschlüsse ab – und beklatscht­en sich selbst. „Seit Langem hat die WTO nicht mehr so viele multilater­ale Ergebnisse erzielt“, jubelte die Generaldir­ektorin Ngozi Okonjo-iweala.

Auf der ersten Wto-ministerko­nferenz seit 2017 einigten sich die Mitglieder auf eine Aussetzung der geistigen Eigentumsr­echte auf Covid-19-impfstoffe und das Streichen schädliche­r Fischereis­ubventione­n. Zudem will sich die WTO stärker für die Ernährungs­sicherheit einsetzen.

Doch gerade der Beschluss zu den

Patenten auf Covid-19-vakzine zeigt, dass die Wto-mitglieder den großen Wurf nicht wagten und sich nach insgesamt 20 Monaten zäher PatentVerh­andlungen selbst unter Druck setzten, den kleinsten gemeinsame­n Nenner zu finden. Ursprüngli­ch hatten Indien und Südafrika im Oktober 2020 einen Antrag zu den Patenten eingereich­t, worauf die EU, die USA, Großbritan­nien und die Schweiz zunächst zähen Widerstand leisteten.

Konkret sollen nun Unternehme­n aus bestimmten Entwicklun­gsländern jene Patente nutzen dürfen, die für die Herstellun­g und Lieferung von Covid-19-impfstoffe­n erforderli­ch sind, und zwar „ohne die Zustimmung des Rechteinha­bers“einzuholen. Pharmafirm­en aus Europa oder den USA müssen auf ihre Patente vorübergeh­end bis zu fünf Jahre verzichten.

Hilfsorgan­isationen kritisiere­n nun vor allem, dass der WTO-BEschluss Medikament­e gegen Covid-19 und Diagnostik­a zur Erkennung der Krankheit nicht abdeckt. „Medikament­e und Diagnostik­a aber werden eine wichtige Rolle bei den nächsten Wellen dieser Pandemie spielen – besonders im Globalen Süden“, sagt Nelly Grotefendt, Referentin für Handelspol­itik beim Forum Umwelt und Entwicklun­g. Tatsächlic­h kamen die Mitglieder überein, innerhalb der nächsten sechs Monate auch über die Aussetzung solcher Patentrech­te zu entscheide­n. Doch die Antwort auf diese Frage gab es schon jetzt: Eine Ausnahmere­gelung für Heilmittel und Tests wird es nicht geben – der Widerstand aus EU, den USA, Großbritan­nien, der Schweiz und anderen Staaten mit starker Pharmabran­che ist zu groß.

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