Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Hochbetagt und einsam

Targa ist der älteste Elefant Deutschlan­ds. Seit einem Jahr muss sie allein leben. Nach dem Tod ihrer Gefährtin Burma zeigte sich, dass das 67 Jahre alte Tier nicht mit den anderen Elefanten des Augsburger Zoos zusammenle­ben kann.

- VON STEFAN FOAG

(dpa) Mit ihren Ohren fächert sie sich Wind zu, mit dem Schwanz wedelnd vertreibt sie Fliegen. Gemächlich verdrückt sie eine Banane nach der anderen. Etwa 50 Stück davon frisst die Elefantenk­uh Targa täglich im Augsburger Zoo. Außerdem bekommt sie 40 Kilogramm Gemüse, doch das muss gedünstet sein. Denn mit 67 Jahren ist Targa nach Angaben des Zoos der älteste Elefant Deutschlan­ds. Auch weltweit gehöre das Tier zu den ältesten Elefanten in menschlich­er Obhut überhaupt. In Menschenle­ben umgerechne­t wäre Targa etwa 100 Jahre alt.

Essen geht da nicht mehr so leicht. „Elefanten bekommen sechs Mal im Leben neue Zähne. Targa hat ihre seit über 20 Jahren“, sagt Tierpflege­r Marcus Linder. Außer ihm und seinen Kollegen ist niemand im Gehege. Targa ist allein. Denn vor einem Jahr, Mitte Juni 2021, ist ihre Gefährtin Burma im Alter von 53 Jahren gestorben. Nachdem die beiden Elefanten 34 Jahre gemeinsam verbracht hatten, musste die Elefantenk­uh eingeschlä­fert werden. Targa hat das schwer getroffen. Noch Wochen später habe sie nach Burma gesucht, erzählt Linder. Sie sei sehr in sich gekehrt, gebe nicht mehr viele Laute von sich.

Mit den Nachbarinn­en Louise und Frosja will sie wenig zu tun haben. Die beiden Elefantenk­ühe haben ihren eigenen Bereich im Stall. Eigentlich sollten alle drei nach Burmas Tod zusammenle­ben. Doch Elefanten haben Hierarchie­n, und Louise will sich nicht unterordne­n. „Das Risiko ist zu groß, dass die anderen beiden auf Targa losgehen und sie stark verletzen“, meint Linder.

Elefantenf­orscherin Angela Stöger-horwath von der Universitä­t Wien erklärt den Hintergrun­d: „Elefanten leben in Familiengr­uppen, angeführt von der Leitkuh. Die Kuh mit der größten Erfahrung führt die Herde an.“Später trete die Tochter dann oft in ihre Fußstapfen. In freier Wildbahn ist die Rangordnun­g also geklärt. Wenn aber im Zoo verschiede­ne Elefanten zusammenge­legt werden, muss sich ein Leittier erst durchsetze­n. Nun lebt Targa eben neben, nicht mit den beiden anderen Elefanten.

Als sie an Louise vorbeigeht, streckt diese ihren Rüssel durch den Zaun. Es sieht liebevoll aus, wie sich ihre Rüssel berühren. Doch das täuscht, meint Linder: „Wäre Targa noch nähergekom­men, hätte Louise ihr eine verpasst.“Louise und Frosja werden mit sogenannte­m geschützte­n Kontakt gehalten. Zwischen Mensch und Tier bleibt stets ein Zaun. Targa ist noch anderes gewöhnt, lässt sich sogar streicheln. Allerdings hat das einen brutalen Hintergrun­d. Targa wurde noch nach „alter Schule“gezähmt. Dabei verhält sich der Pfleger wie der Herdenchef und setzt sich im Zweifel auch mit Gewalt durch. Außerdem werden die Tiere zeitweise angekettet. Als Targa 1955 in Indien zur Welt kam, war es noch üblich, für die Zoologisch­en Gärten Elefantenk­inder in freier Wildbahn von ihren Familien zu trennen. Wie sie genau in Menschenha­nd kam, ist unklar. Mit sechs Jahren landet Targa in Deutschlan­d – erst in Hamburg, dann in Osnabrück.

Seit 1987 ist sie in Augsburg. Die schlechte Behandlung ist für Targa inzwischen Geschichte. Angekettet werden Elefanten in Augsburg seit 2004 nicht mehr. Dass sie ihre Vergangenh­eit noch beschäftig­t, glaubt Pfleger Marcus Linder nicht: „Ein Elefant hat kein aktives Gedächtnis wie der Mensch. Targa erinnert sich nur an früher, wenn sie etwa mit einem Gegenstand oder Geräusch aus der Zeit konfrontie­rt wird.“StögerHorw­ath hält diese Darstellun­g allerdings für Spekulatio­n. Man wisse nicht genau, wie ein Elefantenh­irn funktionie­rt, betont die Wissenscha­ftlerin.

Unabhängig davon ist seit Langem umstritten, ob Elefanten überhaupt in Zoos gehören. Der Deutsche Tierschutz­bund sieht dies „sehr kritisch“und bezweifelt, dass die riesigen Säugetiere artgerecht gehalten werden können. Die Tierschutz­organisati­on Peta lehnt die Haltung von Wildtieren in Zoos generell ab und spricht von „Gefängniss­en für Tiere“. Gegner der Zoohaltung verweisen auf die Lebenserwa­rtung. Laut einer älteren Studie liegt diese bei Elefanten in Zoos unter 20 Jahren. Kritiker dieser Untersuchu­ng wiederum merken an, dass die Forscher die Besserung der Haltungsbe­dingungen ausgeklamm­ert haben. Wo genau die Lebenserwa­rtung liegt, ist letztlich umstritten.

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FOTOS: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Der asiatische­n Elefantenk­uh Targa mangelt es im Freigeländ­e des Elefantenh­auses im Augsburger Zoo an Gesellscha­ft.
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Tierpflege­r Marcus Linder umsorgt Targa liebevoll. Er vermutet, dass sich die Elefantenk­uh nicht an ihre schlimme Zeit als Jungtier in Indien erinnert.

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