Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Viele Häuser gehen unter der Hand weg“

Selten zuvor hatten Familien derart große Probleme, sich ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen. Der Markt an Gebrauchti­mmobilien ist praktisch leergefegt. Trotzdem will Familie Henrichs aus Wesel weitersuch­en.

- VON KLAUS NIKOLEI

Manchmal merkt man erst im Nachhinein, ob eine Endscheidu­ng eher richtig oder falsch war. Als Janine und Jan Henrichs vor fünf Jahren in Wesel ein freistehen­des Einfamilie­nhaus für etwas mehr als 300.000 Euro hätten kaufen können, schien den beiden das doch ein wenig zu viel zu sein. Zumal sie noch in den Umbau hätten investiere­n müssen.

Würde ihnen dasselbe Angebot allerdings heute gemacht, würden sie sofort zuschlagen. Denn heute wären 300.000 Euro für ein solches Objekt ein absolutes Schnäppche­n. „Ich denke, mittlerwei­le dürfte das Haus 450.000 Euro oder auch mehr kosten“, sagt Janine Henrichs, die als gelernte Immobilien­kauffrau vom Fach ist. „Heute könnte ich mir in den Hintern beißen, dass wir damals nicht zugeschlag­en haben“, sagt ihr Mann. Wobei Familie Henrichs, zu der noch der fünfjährig­e Jonah und seine kleine Schwester Lotta (2 Jahre) gehören, eigentlich gar nicht mehr an die verpasste Chance denken, sondern den Blick nach vorne richten. Auch wenn sie wissen, dass es in nächster Zeit nicht leicht sein dürfte, in Wesel eine vergleichs­weise schöne und vor allem auch bezahlbare Immobilie zu finden. Denn ein eigenes Haus hätten Janine und Jan Henrichs schon ganz gerne. „Wobei wir ganz ehrlich sind, dass bei 400.000 Euro eine Grenze erreicht ist, die wir eigentlich nicht überschrei­ten wollen. Denn wir wollen ja als Familie auch noch leben und uns nicht zu sehr einschränk­en“, sagt der 39-jährige Maschinenb­autechnike­r.

Mit der Doppelhaus­hälfte, die die Familie seit ihrer Heimkehr nach Wesel 2017 am Franziska-anneke-weg bewohnt, sind Eltern und Kinder grundsätzl­ich sehr zufrieden. Aus berufliche­n Gründen hatten Janine und Jan Henrichs zuvor zwölf beziehungs­weise zehn Jahre in Bielefeld gelebt. „Toll ist hier, dass wir in einer Sackgasse wohnen, die auch noch Spielstraß­e ist. Entspreche­nd wenig Verkehr gibt es hier“, sagt Jan Henrichs. Die Kinder können auf dem nahen Spielplatz oder natürlich auch im Garten spielen. Dort stehen ein großes Trampolin, eine Rutsche und ein Kletterger­üst. Ein kleines Paradies für Jonah und Lotta. Die Eltern genießen den Blick auf die alten Bäume auf den Nachbargru­ndstücken und hören die Vögel zwitschern. Auch wenn tagsüber Lkw über die nahe Abelstraße fahren, so ist es hier abends extrem ruhig.

Für die Doppelhaus­hälfte zahlen die Henrichs eine Monatsmiet­e von 1500 Euro warm. Wer die Preise in Großstädte­n kennt, dürfte staunen. „Die Lage hier ist echt super zentral. Und wir würden das Haus auch gerne kaufen, nur möchte das unser Vermieter, ein Bauunterne­hmer aus Borken, nicht“, sagt Janine Henrich.

Obwohl sie es eigentlich gut angetroffe­n hat, möchte die Familie in den nächsten Jahren trotzdem ein Eigenheim beziehen, so wie das fast alle aus ihrem Freundes- und Bekanntenk­reis getan haben. „Allerdings haben die schon vor einigen Jahren etwas gesucht und dann auch gefunden, als alles noch irgendwie bezahlbar war. Mittlerwei­le aber ist, so wie eigentlich überall, auch in Wesel der Markt leergefegt. Die meisten Häuser kommen erst gar nicht auf den Markt, sondern gehen unter der Hand über die Bühne“, ist Jan Henrichs überzeugt. Da laufe einfach ganz vieles über Beziehunge­n. „Und wenn doch mal ein Objekt im Internet angeboten wird, dann gibt es ein Bieterverf­ahren.“In diesem Zusammenha­ng berichtet er von einem Fall: Leute in Wesel hatten ein Haus vor 16 Jahren für 235.000 Euro gekauft und nun für 420.000 Euro wieder verkauft.

Wenn es also keine geeigneten Objekte zu einem noch erschwingl­ichen Preis gibt, wäre denn nicht ein Neubau eine denkbare Alternativ­e? Jan Henrichs winkt ab: „Erstens sind die Grundstück­e in den Neubaugebi­eten sehr klein. Und dann bedeutet ein Neubau gewiss sehr viel Stress, zumal viele Baustoffe derzeit äußerst rar beziehungs­weise sehr teuer sind.“

Um sich innerhalb der nächsten beiden Jahre vielleicht doch noch den Traum vom Eigenheim in Wesel zu erfüllen, haben Janine und Jan Henrichs einen Flyer entworfen und diesen in Briefkäste­n von Häusern gesteckt, deren Besitzer betagt sind und womöglich über einen Verkauf nachdenken. Gebracht hat die Aktion allerdings nichts. Oder jedenfalls so gut wie nichts. „Immerhin hat sich eine ältere Dame bei uns gemeldet, die die Idee mit dem Zettel so süß fand. Sie hat uns versproche­n, dass sie sich umhören will.“

Umhören wollen sich auch alle Freunde und Bekannten der Henrichs‘. „Wir haben da so zwei Sachen, die vielleicht etwas geben. Einfach mal abwarten“, sagt Jan Henrichs. Und bis es soweit ist, werden sie einfach die Zeit und die Ruhe in ihrer schönen Miet-doppelhaus­hälfte genießen.

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RP-FOTO: NIKOLEI Janine (mit Lotta) und Jan Henrichs (mit Jonah) suchen in Wesel ein eigenes Haus, auch wenn sie sich in ihrer Miet-doppelhaus­hälfte wohlfühlen.

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