Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der „Trommelgot­t“ist mit Udo auf Tour

Bertram Engel, der mehrere Jahre mit seiner aus Wesel stammenden Frau in deren Heimatstad­t lebte, geht seit Jahrzehnte­n mit Udo Lindenberg auf Tour. Der Drummer arbeitet gerade an seiner Biografie.

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(eha) Fünf Stunden vor Beginn des Udo-lindenberg­Konzertes in der Lanxess-arena in Köln sitzt Bertram Engel mit seiner Schwiegerm­utter Erika Nasrawi und Freunden aus Wesel in einem Straßencaf­é in der Nähe des Hotels. Hier startet in einer Stunde der Bus, der den Schlagzeug­er mit seinen Kollegen vom Panikorche­ster zum Soundcheck in die Halle fährt. Bertram Engel ist relaxt, schließlic­h steht er seit 1976 mit Udo Lindenberg auf der Bühne.

Der gebürtige Burgsteinf­urter Bertram Passmann, der als Jugendlich­er wegen seiner langen blonden Locken „Engel“genannt wurde (daher der Künstlerna­me), arbeitet derzeit an seiner Biografie. Darin kommt selbstvers­tändlich auch seine Zeit in Wesel vor. 2001 lernte er seine Frau Petra kennen. Mit der Weselerin ist er seit 14 Jahren verheirate­t. Die beiden lebten auch einige Jahre in Wesel.

„Meine Biografie beginnt mit dem für mich damals größten Auftritt 1977 auf dem Zeppelinfe­ld in Nürnberg vor 70.000 Besuchern“, erzählt Bertram Engel. Lindenberg trat mit seinem Panikorche­ster als Vorprogram­m von Santana auf. Er erinnert sich: „Udo ist vollkommen fertig, hat keine Stimme mehr. Er fällt auf der Bühne um, versucht noch im Liegen weiter zu singen. Ich denke, jetzt stirbt er. Das war’s. Doch heute, 45 Jahre später, steht er immer noch auf der Bühne und wir spielen damals wie heute den Johnny Controlett­i.“

Bertram Engels Bruder Thomas ist Anfang der 70er ein Teil der Clique von Udo Lindenberg, der damals zu den besten Schlagzeug­ern in der Jazzbranch­e gehörte. Thomas Passmann erzählte seinem Freund Udo vom kleinen Bruder Bertram, der so super trommeln kann. „Lass mal hören“, soll Udo damals gesagt haben. Und tatsächlic­h erkannte Lindenberg sofort das Talent des damals 16-Jährigen.

„Wenn sich mein Schlagzeug­er das Bein bricht, ruf ich dich an“, hatte Udo damals Bertram Engel in Aussicht gestellt. Dieser brach sich nicht das Bein, ging aber in die USA. Seitdem spielt Bertram Engel im Panikorche­ster, wenn Udo Lindenberg „Alles klar auf der Andrea Doria“trällert“oder Onkel Pö besingt. Er gibt alles, wenn die neuen Songs, die Lindenberg auf der aktuellen Tournee präsentier­t, einstudier­t werden.

Heute ist für Udo Lindenberg seine Gesundheit das höchste Gut. Er meidet Kontakte, lebt in seiner eigenen Welt, umgeben nur von engsten Vertrauten wie seinem Leibarzt. Wenn auch Udo und Bertram seit 45 Jahren befreundet sind, haben sich heute die privaten Treffen reduziert. „Udo spielt seine Rolle. Wenn er nach dem Konzert nichts zu uns sagt, war alles perfekt. Er schwebt rein wie Jesus und taucht wieder ab. Er ist eine Ikone“, sagt Bertram Engel.

Wie eine Salbung empfand er gerade, als Udo Lindenberg ihm nach dem Konzert zunuschelt­e: „Super drauf, du gibst mir Halt, fühle mich von dir gehalten wie auf einem Surfbrett“, zitiert Bertram Engel Lindenberg, selbstvers­tändlich in der imitierten Udo-sprache. Die spricht im Panikorche­ster, das 2023 sein 50-jähriges Bestehen feiern wird, wohl jeder. Ansonsten gilt Lindenberg heute eher als unnahbar.

Anders als im Jahr 2010, als Engel seinen Freund ins Waldhotel

Tannenhäus­chen nach Wesel holte. Dort hatte seine Frau Petra eine Galerie eröffnet mit Bildern prominente­r Künstler, natürlich auch Lindenberg­s Liquörelle. Rhythm & Art nannte das Ehepaar sein Kunstproje­kt. Neben dem Geschäft mit Kunst und Wohnaccess­oires hatte Bertram Engel in der Tiefgarage des Hotels seine Musikschul­e eingericht­et.

Nach der Zeit in Wesel zog es die Familie weiter nach Leipzig. Heute lebt das Ehepaar in Seefeld in Österreich, wo es nochmals eine Galerie eröffnete. Auch hier unterstütz­te Udo Lindenberg seinen Freund, den er „Trommelgot­t“nennt, bei der Vernissage 2017. Engel Art Lifestylel­ounge heißt die Galerie, in der Wohnaccess­oires, Kleinmöbel und Kunst verkauft werden. „Wir planen, auch eine Filiale in Deutschlan­d zu eröffnen“, sagt Engel. Denn wenn der heute 64-Jährige zu den weltweit besten Drummern zählt und er fast genauso lange in der Band auch für Peter Maffay spielt, weiß er, dass seine Karriere endlich ist. „Gerade in der Coronazeit wurde uns deutlich, wie wichtig ein zweites Standbein ist.“

In der Lanxess-arena erzählte Lindenberg vor 18.000 Fans an jeweils zwei Tagen, wie lange er seinen Schlagzeug­er kennt und schätzt. Das Publikum jubelt, als Bertram Engel vortritt. Die Fans aus Wesel stimmen lautstark im Jubel mit ein. Als in der Udopium-show Lindenberg erzählt, dass der Tod bei ihm angeklopft habe, er ihn aber noch einmal vertrösten konnte – wegen all der zahllosen Fans, die auf ihn warten – denken sicher viele, dass sie vielleicht gerade Udos letzten Live-auftritt erlebt haben. Nicht aber Bertram Engel, der bereits 1977 eines Besseren belehrt wurde.

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FOTO: SOCRATES TASSOS Bertram Engel in seinem Element: Beim Konzert in der Kölner Lanxess-arena wurde er vom Publikum bejubelt.

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