Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Pellets-entfernung würde Milliarde kosten
Wie soll mit dem hochgiftigen Material in der ehemaligen Tongrube Mühlenberg in Schermbeck-gahlen verfahren werden? Auf diese Frage gibt es keine klare Antwort. Verwaltung und Ratsmitglieder sind unterschiedlicher Meinung.
(jok) Eigentlich ist die Sache ja eindeutig: Die hochgiftigen Ölpellets gehören definitiv nicht in die ehemalige Tongrube Mühlenberg in Schermbeck-gahlen, also müssen sie dort auch wieder raus. Das denkt man jedenfalls. Doch eine Herausnahme ist natürlich nicht so einfach zu bewerkstelligen. Außerdem kostet sie – nach Einschätzung eines Gutachters – voraussichtlich tatsächlich mehr als eine Milliarde Euro und könnte zudem zusätzliche Gefahren erzeugen.
Was also tun? In einer repräsentativen Umfrage sprach sich eine deutliche Mehrheit der Befragten für die Entfernung aus. Für den Gahlener Umweltschutzverein äußert sich Stefan Steinkühler zu der Frage einer möglichen Herausnahme der Ölpellets. Er verweist erstmal darauf, dass es sich bei dem Mühlenberg nicht um eine Deponie handele, sondern um eine wiederverfüllte Tongrube, in die normalerweise nur Bauschutt oder ähnliches gehört habe. Außerdem sei die Gefahrenabschätzung offiziell noch nicht abgeschlossen. Außerdem sagt das Ratsmitglied der Grünen: „Die Ölpellets sind bisher nicht im Sickerwasser nachgewiesen worden. Aber auch ohne die hochgiftigen, mutagenen, krebserregenden Ölpellets hat der Gutachter ausgeführt, dass die Schadstoffbelastung der Sickerwässer teilweise extrem über den Normen mit sehr hohen Salz- und erhöhten Schwermetall-gehalten liegt.“Seine wichtigste Folgerung daraus: „Es macht Sinn, die chemischen Reaktionen im Mühlenberg, der auch mit Aschen aus Verbrennungsprozessen, Schlacken aus der Verhüttung von Eisen oder aus der Kupfererzeugung, Boden und Bauschutt befüllt wurde, zu untersuchen.“Auch Abfälle mit Fäkalgeruch, Hausmüll, Plastik und Textilen seien in die ehemalige Tongrube eingebracht worden.
Konkret erklärt Steinkühler: „Wenn, dann muss der komplette Berg abgetragen werden. Neben der Kostenfrage stellt sich dann aber auch die Frage, wohin damit? Denn nach bisheriger Einschätzung können die Ölpellets nur thermisch entsorgt werden. Es zeigt sich: Je größer der Umweltskandal, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass alles so bleibt, wie es ist.“
Einer, der direkt von dem Skandal betroffen ist, ist Kilian Zens vom Restaurant Schwarzdrossel. Das Lokal an der Pfannhüttenstraße in Gahlen liegt nur wenige hundert Meter neben dem Mühlenberg ist direkter Nachbarschaft. Zens sagt: „Wir haben Angst, was mit den Pellets passiert.“Er fragt sich: „Ist die Abdichtung fachgerecht ausgeführt? Wir können uns dies nicht vorstellen. Was passiert dann? Wird die schädliche Belastung dann ins Grundwasser freigesetzt und als verseuchtes Wasser irgendwann zur Trinkwassergewinnung oder als Bewässerung für Felder und Wiesen sowie für die restlichen freilaufenden Kühe genutzt?“Kilian Zens berichtet: „Wenn man im Umfeld des Mühlenberg spazieren geht, kann man schon jetzt Auswirkungen auf die Wasserbelastung erkennen. Zusammenfassend sagen wir: Die Ölpellets müssen raus – für die Kosten muss der Verursacher aufkommen, nicht der Steuerzahler.“Somit unterstütze er vollumfänglich die Argumentation des Gahlener Bürgerforums.
Schermbecks Bürgermeister Mike Rexforth spricht sich hingegen gegen eine Entnahme der Ölpellets aus, betont aber zunächst: „Wir sind uns einig darüber, dass ein solches Umweltdelikt nie hätte geschehen dürfen und es natürlich mehr als wünschenswert wäre, wenn die Ölpellets nicht mehr vor Ort lägen.“Allerdings kämen die verschiedenen Gutachter zu der Einschätzung, „dass sich aus den unterschiedlichsten fachlichen Bewertungen jedoch keine Anhaltspunkte für ein akut bestehende Gefahr durch die Verfüllung“ergebe. Daher gebe es „aktuell keinen Anlass für Sofortmaßnahmen“– und diese wären damit „unverhältnismäßig“, so Rexforth.
Andre Rademacher ist CDU-RATSherr und vertritt die Gahlener Bürger im Rat. Ist er für eine Entfernung der Ölpellets? „Spontan würde ich diese Antwort als Gahlener Bürger eindeutig mit ja beantworten.“Dann geht er ins Detail: „Wenn man sich mit der Thematik etwas konkreter auseinandersetzt und den Ausführungen in den entsprechenden Gutachten Glauben schenkt, würde die Entfernung mehr als eine Milliarde Euro kosten. Da angeblich eine langfristige Gefahrenabwehr auch mit deutlich kostengünstigeren Sicherungsmaßnahmen möglich ist, wird durch die Sachverständigen ein vollständiger Rückbau nicht weiter in Betracht gezogen.“
Auch er sei leider darauf angewiesen, sich auf diese Ausführungen zu verlassen, da er nicht über die erforderliche Expertise verfüge, um dies konkret in Zweifel ziehen zu können, betont Rademacher. „Wichtig ist meiner Meinung nach, dass alle vier im Gutachten von Dr. Kerth vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen wie Oberflächenabdichtung, Randabdichtung, Dichtwandumschließung und horizontalen Ringdränage ausnahmslos umgesetzt und von unabhängiger Stelle kontrolliert werden.“
Der CDU-MANN kommt zu dem Schluss: „Diese Maximalmaßnahmen in Höhe von etwa 55,7 Millionen Euro sind die Verantwortlichen den nachfolgenden Generationen mindestens genauso schuldig, wie eine transparente Behandlung der gesamten Angelegenheit.“
Wer sich am besten mit den Begebenheiten in der ehemaligen Tongrube Nottenkämper auskennen müsste, ist die Firma Nottenkämper selbst. Das Unternehmen für Tonvermarktung und Entsorgung mit Hauptsitz in Hünxe erklärt zu der Frage, ob die Pellets wieder aus dem Mühlenberg entfernt werden sollten: „Basierend auf dem am 11. November 2020 veröffentlichten Gutachten und dem daraus folgenden Erlass des Ministeriums für Umweltschutz, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-westfalen finden derzeit Untersuchungen an der Verfüllung Mühlenberg statt.“Der Kreis Wesel fungiere während der Untersuchungen als Aufsichtsbehörde. Nottenkämper weiter: „In den durch das Umweltministerium und den Kreis Wesel zu diesem Thema abgehaltenen Informationsveranstaltungen wurde mitgeteilt, dass keine akute Gefahr für Umwelt und Grundwasser besteht. Den noch andauernden Untersuchungsmaßnahmen und der daraus folgenden Schlussfolgerungen der Koordinierungsgruppe möchten wir nicht vorweggreifen.“