Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Macrons Debakel löst Alarmstimmung in der EU aus
Weil er sich mehr um die Innenpolitik kümmern müsse, scheide Frankreichs Präsident als Motor für Europa aus, befürchten Politiker in Brüssel.
Das Epizentrum des Schocks lag in der Nacht zum Montag in der Zentrale der Liberalen in Paris. Aber die Schockwellen trafen auch Brüssel. Denn die einschneidenden Parlamentswahlen in Frankreich haben Folgen auch für Europa. Moritz Körner, FDP-EUROpa-abgeordneter, spricht deshalb vom französischen Wahlergebnis als einer „schlechten Nachricht für Europa“. Präsident Emmanuel Macron sei bislang als Integrationsmotor für die EU aufgetreten. „Es ist zu befürchten, dass die zukünftig kompliziertere Entscheidungsfindung in Frankreich ihn stärker an Paris binden wird, was unmittelbar auch eine Verlangsamung der Entscheidungsfindung in der EU nach sich ziehen wird“, erklärt Körner.
Bereits vor acht Wochen hatten die Skeptiker dazu geraten, den Wahlsieg Macrons nicht als vorschnelle Entwarnung zu interpretieren und erst die Wahlen zur Nationalversammlung abzuwarten. Sie sollten recht behalten. Macrons Unterstützer verloren ihre Mehrheit im Parlament, die Populisten von rechts (Marine Le Pen) wie von links ( Jean-luc Mélenchon) erstarkten noch mehr als befürchtet. Die Grünen-europa-abgeordnete Viola von Cramon ist vom RassemblementNational-erfolg entsetzt. Diese Sitze seien fast alle in Duellen gewonnen worden. In Frankreich bedeute das das Ende der „republikanischen Front“, auf die man sich habe verlassen können. „Das ist ein politischer Schock, ein Tabubruch, der uns alle alarmieren sollte“, so von Cramon.
Den Linkspopulisten Mélenchon und die Rechtspopulistin Le Pen verband vor allem ihre Eu-skepsis.
Beide machten sich im Wahlkampf dafür stark, die Eu-regeln künftig nicht mehr zu beachten, wenn sie französischen Interessen im Weg stünden. Das war der Kurs Polens, bevor das rechtspopulistische PisRegime durch Vorenthalten von Geldern gezwungen wurde, die EU-GEsetze wieder als vorrangig vor den nationalen anzuerkennen. Nun stärken ausgerechnet die Wähler in Frankreich, dem Land des Straßburger Sitzes des Eu-parlamentes, die anti-europäischen Reflexe.
Verheerende Nachwirkungen dürften auch das sozialistische und grüne Lager treffen. Ihre Parteien waren mit Mélenchon ein Bündnis eingegangen, um ihre Chancen auf Mandate zu erhöhen, und hatten dafür ihre europafreundliche Überzeugung verleugnen müssen. Was das mit ihrer europapolitischen Verlässlichkeit in künftigen Wahlkämpfen macht, wird sich noch zeigen. Es verschlechtert jedenfalls die Basis für die Eu-unterstützer in einem der wichtigsten Staaten der EU.
Für Daniel Caspary, den Chef der Cdu/csu-europaabgeordneten, hat sich am Sonntag gezeigt, dass die Mehrheit der Franzosen mit Macron unzufrieden ist. „Er wird sich also einerseits mehr um die französische Innenpolitik und die notwendigen Reformen kümmern müssen. Andererseits wird ihn dies bei seinen europäischen Ambitionen eher ausbremsen“, fürchtet der CDU-POlitiker. Für ihn folgt daraus jedoch auch eine Empfehlung an die EUKommissionspräsidentin. „Ursula von der Leyen sollte die Schwäche vieler Regierungschefs nun nutzen, ihre führende Rolle für Europa deutlicher zu machen, und insgesamt den Führungsanspruch der Europäischen Kommission stärken.“