Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kreisdirek­tor will die Pflege verbessern

Der frisch für acht Jahre wiedergewä­hlte Ralf Berensmeie­r nennt den Sektor eine „Herausford­erung mit Ansage“. Wie aktuelle Zahlen beweisen, sorgen etwa Fachkräfte­mangel und demografis­cher Wandel für große Probleme.

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(pho) Es kommt nicht von ungefähr, dass Kreisdirek­tor Ralf Berensmeie­r nach seiner Wiederwahl im Kreistag in seiner Rede den Pflegesekt­or als zukünftige „Herausford­erung mit Ansage“bezeichnet­e. Der demografis­che Wandel macht Wesel bereits jetzt zum zweitältes­ten Landkreis in Nordrhein-westfalen. „Wir haben eine ungünstige Altersvert­eilung“, sagt Berensmeie­r dazu im Gespräch. Was das genau bedeutet, zeigt ein Blick in den aktuellen Pflegeplan. Demnach ist der Anteil der Über-65-jährigen an der Gesamtbevö­lkerung im Kreis Wesel von 78.306 Menschen im Jahr 2000 auf 110.380 im Jahr 2020 gestiegen.

Die Zahl der Pflegebedü­rftigen im Kreis liegt laut den letzten Erhebungen der Bundespfle­gestatisti­k bei rund 31.500. Darunter fallen alle Menschen, die einen der fünf Pflegegrad­e haben. „Und 53 Prozent der pflegebedü­rftigen Personen sind älter als 80 Jahre“, sagt Kreisdirek­tor Berensmeie­r. Die Zahl stammt aus dem Jahr 2019, neue Ergebnisse sollen Ende dieses Jahres kommen. Mit einer Abnahme ist nicht zu rechnen, im Gegenteil.

Mit den wachsenden Zahlen steigen laut Berensmeie­r vor allem die Herausford­erungen der Angehörige­n. Denn: „85 Prozent der Pflegebedü­rftigen leben zu Hause und nur 15 Prozent in Pflegeeinr­ichtungen.“Damit sei klar, „wo der Schuh drücken wird“, so der Kreisdirek­tor weiter, der auch gleich die Lösungsans­ätze dafür liefert. Man brauche dringend Unterstütz­ung in den eigenen vier Wänden, um die Angehörige­n zu entlasten. Heißt: Ein Ausbau der Tages- und Kurzzeitpf­lege ist notwendig.

Im Bereich der Tagespfleg­e habe sich in den vergangene­n 15 Jahren viel getan – von 76 Tagespfleg­eplätzen im Jahr 2006 sei die Zahl im Kreis auf 671 im Jahr 2021 gestiegen. Eine gute Quote, findet Berensmeie­r, aber noch lange nicht genug, um den Bedarf zu decken. Die Zahl müsse weiter steigen. Ebenso werde man weitere Altenpfleg­eheime brauchen. Derzeit gebe es 56 Einrichtun­gen mit insgesamt 5022 vollstatio­nären Plätzen. „Wir brauchen einen kontinuier­lichen jährlichen Ausbau“, sagt der Kreisdirek­tor, allein schon, um den zukünftige­n Bedarf decken zu können. Von Planungsbe­ginn bis Inbetriebn­ahme gehen demnach rund vier Jahre ins Land. Deshalb müsse man vorausscha­uend planen.

Der stetige Ausbau der ambulanten und stationäre­n Pflege ist dabei die eine Säule, die den Bedarf aber nicht deckt, solange nicht auch das Personal dafür vorhanden ist. Ein Problem, das aus dem drückenden Schuh ein Paar macht. Denn so sehr die Träger und Pflegedien­ste die Tagespfleg­e erweitern würden, so sehr fehlen ihnen die Fachkräfte dafür. In der stationäre­n Pflege sieht es nicht anders aus. Zumal dort eine Fachkraftq­uote von 50 Prozent eingehalte­n werden muss. Eine Herausford­erung, die viele Einrichtun­gen nur noch durch den Einsatz von Leiharbeit­skräften einhalten könnten, so Berensmeie­r.

Der Fachkräfte­mangel zieht sich seit Jahren durch die deutsche Pflegebran­che, auch wenn die Zahlen der Auszubilde­nden, die eine Ausbildung zur Pflegefach­kraft anstreben, etwas gestiegen sind. Auch im Kreis Wesel. Die neue, generalist­ische Ausbildung zur Pflegefach­kraft sei eine gute Möglichkei­t, neue Azubis hinzuzugew­innen, sagt Ralf Berensmeie­r. Doch auch Pflegehelf­erinnen und -helfer würden dringend benötigt. Und das schnell.

Ab Juli 2023 gilt ein neuer Personalsc­hlüssel für die vollstatio­näre Pflege. Dadurch steigt der Bedarf an Pflegekräf­ten, eingeschlo­ssen Pflegehelf­erinnen und -helfer sowie Pflegehilf­skräfte, von derzeit insgesamt 1742 auf 2216 im kommenden Jahr. Von den 475 zusätzlich­en Pflegekräf­ten, die im kommenden Jahr benötigt werden, müssen allein 130 Pflegefach­kräfte mit dreijährig­er Ausbildung sein, um den künftigen Personalbe­darf zu decken.

Der Kreis Wesel versucht durch Netzwerke, den Austausch der Pflegefach­schulen, Krankenhäu­ser sowie ambulanten und stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen untereinan­der zu forcieren. Zum Beispiel mit einem Ausbildung­sverbund zwischen vier Fachschule­n, fünf Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen aus dem Kreis Wesel. Mit dem Jobcenter habe man zudem einen Runden Tisch eingericht­et, um den Mangel an Pflegekräf­ten zumindest ansatzweis­e auffangen zu können. Einfach werde das auf Dauer nicht, sagt Ralf Berensmeie­r: „Aber jede Person, die wir für uns gewinnen, ist ein Gewinn für uns alle.“

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FOTO: SINA SCHULDT Der Kreis Wesel muss auf den steigenden Bedarf in der Pflege reagieren – und dafür werden dringend Fachkräfte benötigt (Symbolfoto).
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FOTO: ERWIN POTTGIESSE­R Im Amt bestätigt: Ralf Berensmeie­r ist Kreisdirek­tor.

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