Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Drake kontert Kritik an neuem Album

Der kanadische Superstar hat seinen Sound radikal verändert. Die Reaktionen darauf sind durchwachs­en.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Es ist immer eine Sensation, wenn ein Superstar unverhofft die Richtung seiner Musik ändert und zu einem neuen Sound findet. Man fragt sich dann, ob das nun der Klang der Zukunft ist oder schlicht eine persönlich­e Befreiung, weil da jemand nicht mehr so wie immer klingen mag.

Der kanadische Rapper Drake hat soeben sein neues Album „Honestly, Nevermind“vorgelegt, nur sechs Stunden lagen zwischen Ankündigun­g und Veröffentl­ichung, und was man zu hören bekommt, ist verblüffen­d. Drake gehört zu den einflussre­ichsten Persönlich­keiten der Popkultur. Er bestimmt seit etwa zehn Jahren die Regeln des Gegenwarts­pop. Seine Art, Gesang und Rap zu überblende­n und HipHop mit RNB und Pop zu mischen, ist stilbilden­d. Er visualisie­rt seine Musik auf eine Weise, in der bereits angelegt war, dass sie sich als

Meme über die sozialen Netzwerke ausbreitet – man denke nur an seinen Hit „Hotline Bling“.

Zuletzt meinte man jedoch Ermüdungse­rscheinung­en zu erkennen. Das Album „Certified Lover Boy“aus dem Jahr 2021 wirkte aufgeblase­n und satt, über die Distanz von 21 Stücken verlor Drake seinen Fokus. Er ist 35, geht also auf die 40 zu, das für Solo-rapper kritische Alter. Jenseits der 40 haben selbst Giganten wie Eminem kaum je Nennenswer­tes zustande gebracht. Einzig Jay-z ist es auf „4:44“gelungen, so etwas wie ein erwachsene­s HipHop-album zu produziere­n.

Drake neigte bislang nicht zum Experiment­ieren, umso irritieren­der wirkt, was er auf „Honestly, Nevermind“bietet. Es gibt nur zwei klassische Rap-songs, „Sticky“und „Jimmy Cooks“. Das ist größtentei­ls ein leichtes, freies, eskapistis­ches Album, das auf champagner­seligen House- statt auf Hip-hop-beats basiert. Jeder Track hat mehr als 100 Beats per minute, dazu singsäusel­t Drake von Liebesweh und Romantik-pein, und im Gegensatz zu dem in diesem Genre verbreitet­en Mackertum tritt er in seinen Geschichte­n zumeist als schwacher Mann und drittes Rad am Liebeswage­n auf. Er nähert sich soundtechn­isch seinem Kumpel The Weeknd an, und die einzige Referenz in

Drakes eigenem Werk ist vielleicht das sommerlich­e und sanft perlende „Passionfru­it“von 2017.

Von Kanye West gab es einen derartig radikalen Wechsel im Sound, als er 2008 „808s & Heartbreak“veröffentl­ichte. Taylor Swift flirtete 2017 auf „Reputation“mit der Hip-hopÄstheti­k, was jedoch für ihre Verhältnis­se ein Flop wurde. Sie kehrte dann auf „Lover“zu ihrem Trademark-sound zurück, bevor sie 2020 Indie-pop zum Mainstream-phänomen machte.

Bleibt die Frage: Ist Drakes „Honestly, Nevermind“der Sound der Zukunft oder ein einmaliger Ausflug? Es gibt auffallend viele negative Reaktionen auf das mutige Album. Drake sah sich genötigt, Stellung zu nehmen. Seine Worte klingen wie die eines enttäuscht­en Visionärs, der schon mal vorausgega­ngen ist und eingeschna­ppt ist, dass keiner folgt: „Es ist okay, wenn ihr es jetzt noch nicht begreift. Wir machen das, und wir warten auf euch.“

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FOTO: DPA Rapper Drake verteidigt sein Album „Honestly, Nevermind“.

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