Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Saudi-arabien erschwert Reise nach Mekka

Ein neues Anmeldesys­tem verhindert private Buchungen muslimisch­er Pilger auch aus Deutschlan­d.

- VON THOMAS SEIBERT

Eine Million Pilger aus aller Welt wollen nach zweijährig­er Pandemie-pause am diesjährig­en Hadsch teilnehmen, aber Muslime aus Deutschlan­d und anderen westlichen Ländern könnten sich umsonst gefreut haben. Kurz vor Beginn des Hadsch am 7. Juli hat Saudi-arabien jetzt ein neues Anmeldesys­tem eingeführt, das vielen Muslimen aus Europa und Amerika den Weg nach Mekka erschwert. Vom deutschen Islamrat kommt Kritik.

Der Hadsch ist neben dem Glaubensbe­kenntnis, den fünf täglichen Gebeten, dem Fasten im Ramadan und der Almosengab­e eine der fünf Grundpflic­hten des Islam. Jeder Gläubige sollte einmal im Leben die Pilgerreis­e machen, wenn er körperlich und finanziell dazu in der Lage ist. Vor der Pandemie besuchten rund 2,5 Millionen Menschen während der Hadsch-saison die heiligen Stätten – die größte Menschenan­sammlung der Welt. Um Chaos zu verhindern, weist Saudi-arabien jedem Land eine Höchstzahl von Pilgern zu.

Wegen der Pandemie reduzierte Saudi-arabien die Zahl der Pilger im Jahr 2020 auf rund 1000 Einheimisc­he. Im vergangene­n Jahr ließen die Saudis 60.000 saudische und in Saudi-arabien lebende ausländisc­he Pilger zu. In diesem Jahr gelten zwar noch Einschränk­ungen: Wallfahrer müssen jünger als 65 Jahre und negativ auf das Coronaviru­s getestet sein. Doch mit der Zulassung von Pilgern aus dem Ausland und der Steigerung auf eine Million Menschen erreicht der diesjährig­e Hadsch ab dem 7. Juli immerhin wieder fast die Hälfte der Zahlen aus den Zeiten vor Corona.

Allerdings gibt es für die mehr als fünf Millionen Muslime in Deutschlan­d und andere Muslime im Westen ein Problem. Ohne Vorankündi­gung führte Saudi-arabien nur wenige Wochen vor Beginn des Hadsch ein neues Anmeldever­fahren für Pilger aus Europa, den USA, Kanada und Australien ein. Statt ihre Pilgerreis­e wie bisher bei Reiseveran­staltern zu buchen, müssen sich Wallfahrer jetzt auf einer Website des saudischen Hadsch-ministeriu­ms anmelden und warten, ob sie per Verlosung einen Pilgerplat­z bekommen.

Auch ein Visum für den Hadsch bekommen Muslime aus Europa, Amerika und Australien nur noch über die saudische Internetse­ite (www.motawif.com.sa). Die Preise für den knapp zweiwöchig­en Aufenthalt in Saudi-arabien liegen je nach gewünschte­m Komfort zwischen 5100 Euro und 6500 Euro pro Person, inklusive Flug mit Saudia Airlines.

Das neue zentralisi­erte System soll die Pilger nach saudischen Angaben vor Betrügern schützen. Vorerst gibt es jedoch vor allem Verwirrung und Ärger. Wer vor Einführung des neuen Systems bereits über ein Reisebüro eine Wallfahrt gebucht hatte, hat Pech gehabt und muss stornieren: Die Betroffene­n werden auf der Website aufgeforde­rt, sich ihr Geld von den Agenturen zurückzuho­len.

In Deutschlan­d kommt die Neuregelun­g nicht gut an. „Die wollen ein Geschäft machen“, sagt ein Reiseveran­stalter, der sich auf den Hadsch spezialisi­ert hat, über die saudischen Behörden; „Die wollen ihre Hotels vollmachen.“

Auch für die Kunden sei die Neuerung nicht gut, sagt ein Reiseunter­nehmer aus Nordrhein-westfalen unserer Redaktion. Sein Reisebüro bot bisher Hadsch-pakete an, zu denen neben der Reise selbst auch Vorbereitu­ngskurse für die Kunden gehörten. Zudem schickte er eigene Experten und Ärzte mit auf die Reise, um seine Kunden zu betreuen. Was die Pilger unter dem neuen System erwarte, sei offen: „Wir wissen nicht, was die vorbereite­t haben.“

Wegen der kurzfristi­gen Einführung des neuen Anmeldever­fahrens sind kurz vor dem Beginn des Hadsch noch viele Fragen offen. Das neue System für die Muslime aus dem Westen startete Anfang Juni – da kamen in Saudi-arabien bereits die ersten Pilger aus Indonesien an.

Murat Gümüs, Generalsek­retär des deutschen Islamrates, sagte unserer Redaktion, europäisch­e Muslime hätten über die Jahre „eigenständ­ig Initiative­n für ihre religiösen Bedürfniss­e“beim Hadsch entwickelt. Dazu gehöre die Betreuung durch Reiseveran­stalter, die sich auf die Pilgerreis­en spezialisi­ert hätten. „All das soll nun entfallen“, kritisiert­e Gümüs: „Die aktuelle saudi-arabische Alternativ­e spricht die Bedürfniss­e in der Form, wie sie die europäisch­en Hadsch-organisato­ren bislang gewährleis­tet haben, nicht an.“Saudi-arabien solle das neue System überdenken.

Die saudische Botschaft in Berlin ließ eine Bitte um Stellungna­hme unbeantwor­tet.

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FOTO: SAUDI MINISTRY Pilger wandern um die Kaaba im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka.

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