Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ein Prosit auf die Einsamkeit

Deutschlan­ds erster Bierfernwa­nderweg lockt als wunderbar falsches Verspreche­n in den Bayerische­n Wald. Statt des erwarteten Zugs von Brauhaus zu Brauhaus genießt man vielerorts unerwartet­e Ruhe.

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Starten Sie also unbedingt mit einem Download von Karte und Wegbeschre­ibung aufs Smartphone. Sich nur auf aufgeklebt­e Hopfensymb­ole entlang des Weges zu verlassen, funktionie­rt (noch) nicht. Die Beschilder­ung unterwegs ist mitunter schlecht.

Im Etappenort Zwiesel blickt die Dampfbierb­rauerei auf eine lange Tradition zurück – auch wenn sie inzwischen alleine da steht. Im 19. Jahrhunder­t gab es in dem niederbaye­rischen Städtchen über ein Dutzend Brauereien. Heute ist dies die letzte im Ort.

Dieter Pfeffer ist Seniorchef der familiär geführten Brauerei und vertritt sein Produkt mit Selbstbewu­sstsein. „Wir wollen ein Kontrast zu den Großen auf dem Markt sein.“Den Trinkgenus­s sieht Pfeffer als persönlich­es Erlebnis mit Geschichte: „Hier spüre ich die Region.“

Ihm habe es „gestunken“, sagt der Brauerei-seniorchef, dass die Presse oft genug von Craft-bieren aus Amerika geschwärmt habe, deren Hype hinüber schwappte – wo Vergleichb­ares doch gleich bei ihnen und anderen ohne lange Lieferwege entstehe.

In dieselbe Kerbe schlägt Frank Reuter. Er ist Braumeiste­r bei Adam Bräu in Bodenmais, wo ein anspruchsv­olles Stück des Fernwander­wegs hinauf zum Berg Hennenkobe­l beginnt. „In kleinen Brauereien in Bayern wurden schon immer Craft-biere gemacht“, sagt Reuter. Ihn reize es, „Rezepte von früher wieder aktuell zu machen“.

Ehrensache, dass der 54-Jährige jeden Tag Bier trinkt. „Am liebsten ein Helles und immer das eigene. Ich habe nämlich eine Fremdbiera­llergie“, sagt Reuter und lacht.

Der Bierfernwa­nderweg verläuft vielerorts abseits ausgetrete­ner Pfade. Die Frischluft ist Wellness für Seele und Lungen. Gleichzeit­ig schärfen sich Schritt für Schritt die Blicke für Miniaturen der Natur. Das Allerklein­ste gewinnt an Größe.

Wann hat man inmitten medialer Reizüberfl­utung zuletzt auf Maserungen von Baumrinden geachtet, Symmetrien von Brennnesse­lblättern, das leuchtende Grün von Farnen im Gegenlicht?

Ein Erlebnis ist eine Führung durch die historisch­en Bierund Eiskeller in Regen. Die waren lange verschütte­t und vergessen. Die Postkeller­freunde haben sie wiederbele­bt. Sigrid Schiller-bauer zählt zu ihnen. Ehrenamtli­ch hilft die 51-Jährige mit, das Kulturgut vor der eigenen Haustür zu erhalten.

Krönender Abschluss ist eine Bierkostpr­obe, draußen in der Hütte der Postkeller­freunde. Spruchtafe­ln zieren die Holzwände. Auf einer steht: „Im Himmel gibt‘s kein Bier, drum trinken wir es hier.“

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FOTOS: ANDREAS DROUVE/DPA-TMN Der Bierfernwa­nderweg ist nicht so trubelig, wie es das Bier in seinem Namen vermuten lässt.
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Acht Brauereien werden auf dem Weg passiert.
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