Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Das Problem mit den russischen Waffen
Vor allem im Nahen Osten wurden Rüstungsgüter aus Putins Reich gekauft. Der Krieg kratzt am Image.
Als russische Raketen und Kampfjets dem syrischen Präsidenten Baschar al-assad vor einigen Jahren halfen, die drohende Niederlage im Krieg gegen die Rebellen abzuwenden und verlorenes Terrain zurückzuerobern, horchte so mancher Herrscher in der Region auf. Russische Waffenexporte in die Region wuchsen sprunghaft. Je mehr Konflikte es im Nahen Osten gebe, desto mehr russische Waffen würden verkauft, sagte der Chef der Rüstungsfirma Rostec, Sergej Tschemesow. Doch Tschemesow könnte sich zu früh gefreut haben. Der Ukraine-krieg kratzt am Ruf Russlands als zuverlässiger Rüstungslieferant für den Nahen Osten.
Russland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenexporteur der Welt. Indien und China zählen zu den Hauptkunden, doch der Nahe Osten hat im letzten Jahrzehnt stark zugelegt. Von 2009 bis 2018 schossen die russischen Waffenverkäufe in die Region im Vergleich zu der Zeit zwischen 2000 und 2008 um 125 Prozent nach oben, schrieb Alexandra Kuimova vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in einer Analyse für das europäische Mittelmeer-institut IE-MED. Russische Waffen gingen vor allem nach Syrien, Algerien und Ägypten. Inzwischen kauft die Region rund 20 Prozent ihrer Rüstungsgüter in Russland. Nur die USA mit 44 Prozent sind als Lieferant wichtiger.
Überall in der Region tauchten russische Waffen auf. Das NatoLand Türkei kaufte das russische Flugabwehrsystem S-400 und bekundete Interesse an modernen russischen Kampfflugzeugen. Der Irak bestellte russische T-90-panzer, um amerikanische Abrams zu ersetzen, und kauft inzwischen mehr Waffen aus Russland als aus den USA. Ägypten bestellte russische Kampfflugzeuge, und die Vereinigten Arabischen Emirate – Partner der USA am Golf – kooperierten zeitweise mit Russland bei der Entwicklung eines neuen Militärflugzeuges.
Russische Waffen sind wesentlich billiger als amerikanische. Eine S400-Batterie kostet nur halb so viel wie das Us-system Patriot. Der Syrien-konflikt zeigte zudem, wie kampftauglich und robust die russische Ausrüstung sein kann. Russland erlaubt – anders als die USA – seinen Kunden den Weiterverkauf von gebrauchten Waffen an Drittstaaten. Auch macht Moskau seine Lieferungen nicht von der Einhaltung demokratischer oder menschenrechtlicher Standards bei den Abnehmern abhängig, wie westliche Staaten das manchmal tun.
Schon vor dem Ukraine-konflikt wurden allerdings Schwächen und Risiken für die Käufer sichtbar. Seit 2017 drohen Großabnehmern russischer Waffen amerikanische Sanktionen nach dem sogenannten Caatsa-gesetz, das vor zwei Jahren Us-strafmaßnahmen gegen die Türkei wegen der S-400 nach sich zog.
Seit Ausbruch des Ukraine-krieges im Februar erschweren die westlichen Russland-sanktionen die Bezahlung von Waffen, weil Russland aus dem internationalen Bankensystem ausgesperrt wurde.
Die militärischen Misserfolge der russischen Armee zu Beginn des Ukraine-krieges dürften die Zweifel an der Qualität russischer Rüstungsgüter weiter verstärken, auch wenn die russischen Truppen inzwischen mehr Erfolg haben als in den ersten Kriegswochen und auch wenn Kremlchef Wladimir Putin die Indienststellung neuer Hightech-waffen bei den russischen Streitkräften angekündigt hat: Zerstörte Panzer und der Verlust des SchwarzmeerFlaggschiffs „Moskwa“seien nun einmal keine gute Werbung, kommentierte die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Für Länder, die bereits russische Waffen in ihren Arsenalen haben, zieht der Ukraine-krieg neue Schwierigkeiten nach sich. Sie kommen nicht mehr ohne Weiteres an Ersatzteile und können HightechGerät wie Kampfjets nicht mehr regelmäßig von russischen Firmen warten lassen, denn für diese hat die eigene Armee jetzt Vorrang.