Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das Problem mit den russischen Waffen

Vor allem im Nahen Osten wurden Rüstungsgü­ter aus Putins Reich gekauft. Der Krieg kratzt am Image.

- VON THOMAS SEIBERT

Als russische Raketen und Kampfjets dem syrischen Präsidente­n Baschar al-assad vor einigen Jahren halfen, die drohende Niederlage im Krieg gegen die Rebellen abzuwenden und verlorenes Terrain zurückzuer­obern, horchte so mancher Herrscher in der Region auf. Russische Waffenexpo­rte in die Region wuchsen sprunghaft. Je mehr Konflikte es im Nahen Osten gebe, desto mehr russische Waffen würden verkauft, sagte der Chef der Rüstungsfi­rma Rostec, Sergej Tschemesow. Doch Tschemesow könnte sich zu früh gefreut haben. Der Ukraine-krieg kratzt am Ruf Russlands als zuverlässi­ger Rüstungsli­eferant für den Nahen Osten.

Russland ist nach den USA der zweitgrößt­e Waffenexpo­rteur der Welt. Indien und China zählen zu den Hauptkunde­n, doch der Nahe Osten hat im letzten Jahrzehnt stark zugelegt. Von 2009 bis 2018 schossen die russischen Waffenverk­äufe in die Region im Vergleich zu der Zeit zwischen 2000 und 2008 um 125 Prozent nach oben, schrieb Alexandra Kuimova vom Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut Sipri in einer Analyse für das europäisch­e Mittelmeer-institut IE-MED. Russische Waffen gingen vor allem nach Syrien, Algerien und Ägypten. Inzwischen kauft die Region rund 20 Prozent ihrer Rüstungsgü­ter in Russland. Nur die USA mit 44 Prozent sind als Lieferant wichtiger.

Überall in der Region tauchten russische Waffen auf. Das NatoLand Türkei kaufte das russische Flugabwehr­system S-400 und bekundete Interesse an modernen russischen Kampfflugz­eugen. Der Irak bestellte russische T-90-panzer, um amerikanis­che Abrams zu ersetzen, und kauft inzwischen mehr Waffen aus Russland als aus den USA. Ägypten bestellte russische Kampfflugz­euge, und die Vereinigte­n Arabischen Emirate – Partner der USA am Golf – kooperiert­en zeitweise mit Russland bei der Entwicklun­g eines neuen Militärflu­gzeuges.

Russische Waffen sind wesentlich billiger als amerikanis­che. Eine S400-Batterie kostet nur halb so viel wie das Us-system Patriot. Der Syrien-konflikt zeigte zudem, wie kampftaugl­ich und robust die russische Ausrüstung sein kann. Russland erlaubt – anders als die USA – seinen Kunden den Weiterverk­auf von gebrauchte­n Waffen an Drittstaat­en. Auch macht Moskau seine Lieferunge­n nicht von der Einhaltung demokratis­cher oder menschenre­chtlicher Standards bei den Abnehmern abhängig, wie westliche Staaten das manchmal tun.

Schon vor dem Ukraine-konflikt wurden allerdings Schwächen und Risiken für die Käufer sichtbar. Seit 2017 drohen Großabnehm­ern russischer Waffen amerikanis­che Sanktionen nach dem sogenannte­n Caatsa-gesetz, das vor zwei Jahren Us-strafmaßna­hmen gegen die Türkei wegen der S-400 nach sich zog.

Seit Ausbruch des Ukraine-krieges im Februar erschweren die westlichen Russland-sanktionen die Bezahlung von Waffen, weil Russland aus dem internatio­nalen Bankensyst­em ausgesperr­t wurde.

Die militärisc­hen Misserfolg­e der russischen Armee zu Beginn des Ukraine-krieges dürften die Zweifel an der Qualität russischer Rüstungsgü­ter weiter verstärken, auch wenn die russischen Truppen inzwischen mehr Erfolg haben als in den ersten Kriegswoch­en und auch wenn Kremlchef Wladimir Putin die Indienstst­ellung neuer Hightech-waffen bei den russischen Streitkräf­ten angekündig­t hat: Zerstörte Panzer und der Verlust des Schwarzmee­rFlaggschi­ffs „Moskwa“seien nun einmal keine gute Werbung, kommentier­te die Nachrichte­nagentur Bloomberg.

Für Länder, die bereits russische Waffen in ihren Arsenalen haben, zieht der Ukraine-krieg neue Schwierigk­eiten nach sich. Sie kommen nicht mehr ohne Weiteres an Ersatzteil­e und können HightechGe­rät wie Kampfjets nicht mehr regelmäßig von russischen Firmen warten lassen, denn für diese hat die eigene Armee jetzt Vorrang.

 ?? FOTO: NIKOLAI TRISHIN/IMAGO ?? Ein zerstörter russischer Panzer in der Ukraine.
FOTO: NIKOLAI TRISHIN/IMAGO Ein zerstörter russischer Panzer in der Ukraine.

Newspapers in German

Newspapers from Germany