Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Geld, Personal und eine heiße Kartoffel

Fast geräuschlo­s haben CDU und Grüne bisher ihre Koalition verhandelt. Zum Schluss hakt es – es geht um Finanzen und Ministerie­n.

- VON MARTIN KESSLER UND MAXIMILIAN PLÜCK

Fast pünktlich um 14 Uhr fährt am Mittwoch die Limousine des geschäftsf­ührenden Ministerpr­äsidenten und CDU-VERhandlun­gsführers Hendrik Wüst am Malkasten in Düsseldorf vor. Dort finden derzeit die Abschlussv­erhandlung­en für den Koalitions­vertrag der künftigen schwarz-grünen Nrw-landesregi­erung statt. Je fünf Personen aus beiden Parteien sollen dem Papier den letzten Schliff geben. Es geht vor allem ums Geld – und um die Zuschnitte der künftigen Ministerie­n. Kompetenzf­ragen sind Machtfrage­n. Entspreche­nd heftig wird also um die noch offenen Punkte gerungen, auch wenn es aus Verhandlun­gskreisen heißt, es gehe nur noch „um einzelne Detailfrag­en“.

Die Chefin der Grünen, Mona Neubaur, hatte sich schon eine halbe Stunde vorher eingefunde­n. Gut versorgt vom Catering des Malkastens ging es im Verhandlun­gssaal im ersten Stock rasch zur Sache. Ursprüngli­ch war der Plan, den Koalitions­vertrag schon am Mittwoch der Öffentlich­keit zu präsentier­en, denn die elf Arbeitsgru­ppen haben ihre Aufgabe erfüllt. Doch die Zehnergrup­pe tut sich schwerer als erwartet mit den noch offenen Fragen.

Klar ist bereits, dass die Grünen mit einem Ergebnis von 18,2 Prozent mehr Posten beanspruch­en werden als die FDP. Für Gemurre an der Cdu-parteibasi­s sorgt die Zahl fünf. Sollten die Grünen tatsächlic­h zwei Ministerie­n mehr bekommen, sieht so mancher in der Union das als Übervortei­lung. „Wir sollten da schon die Kirche im Dorf lassen“, sagte ein Spitzenpol­itiker des Landesverb­ands unserer Redaktion.

Die Grünen sehen sich dagegen in einer starken Position. Deshalb gelten vier wichtige Ressorts den Grünen als Minimum. Das Umweltmini­sterium müsse auf jeden Fall dabei sein, auch ein sozialpoli­tisches wie Gesundheit, Familie oder Migration. Beide Seiten sind trotzdem bemüht, möglichst geräuschlo­s zu einem Ergebnis zu kommen. Wüst und Neubaur haben den Verhandlun­gsteams einen strikten Maulkorb verpasst: Wer quatscht, fliegt. Mit anderen Worten: Der oder die hat in der künftigen Regierung nichts zu melden.

Trotzdem wird um die Posten schon jetzt gefeilscht. Zur heißen Kartoffel entwickelt sich das Schulminis­terium. Die CDU verbrannte sich daran in der Ära von Jürgen Rüttgers mit Barbara Sommer schon genauso die Finger wie die Grünen im Kabinett von Hannelore Kraft (SPD) mit Sylvia Löhrmann. Das letzte abschrecke­nde Beispiel lieferte Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP). Die Junge Union dringt darauf, die CDU müsse das Ressort für sich beanspruch­en. Das gilt derzeit auch als sehr wahrschein­lich. Es wäre zugleich die Chance, dass ein Mann, der derzeit mehr im Hintergrun­d agiert, in die erste Reihe aufrücken könnte: Nathanael Liminski hatte bereits mit seiner Kandidatur für ein Landtagsma­ndat signalisie­rt, dass er künftig auch öffentlich in der Landespoli­tik mitmischen will.

Auch auf die Gefahr hin, dass ihm der Vorwurf gemacht werden könnte, er halte zu sehr an Laschets Leuten fest, gilt als sicher, dass Wüst seine beiden beliebtest­en Kabinettsm­itglieder, Innenminis­ter Herbert Reul und Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann, wieder ins Team holt – und zwar in ihren alten Ressorts. Auch Ina Scharrenba­ch, die Landesvors­itzende der

Frauen-union und Zweitplatz­ierte auf der Landeslist­e, dürfte erneut im Kabinett eine Rolle spielen, auch wenn sie im Machtstrei­t um die Laschet-nachfolge den Wüst-gegnern zugeordnet wurde. Das Sondierung­spapier trug bereits ihre Handschrif­t. Möglich also, dass sie an selber Stelle weitermach­t. Ebenfalls im Kabinett verbleiben dürfte die Cdu-politikeri­n Ina Brandes, die bislang das Verkehrsre­ssort leitet. Da das aber aller Voraussich­t nach von den Grünen besetzt wird, wird die Baumanager­in, die ein Studium der Schriftste­llerei absolviert hat, ein anderes Ressort besetzen. Eine weitere CDU-FRAU mit Chancen ist die Troisdorfe­r Bundestags­abgeordnet­e und Staatssekr­etärin Elisabeth Winkelmeie­r-becker. „Sie ist einfach mal dran“, sagt ein Parteifreu­nd über die frühere Staatssekr­etärin von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter-altmaier. Ebenfalls als ministrabe­l aufseiten der CDU gelten die Integratio­nsstaatsse­kretärin Gonca Türkeli-dehnert sowie die bisherige rechtspoli­tische Sprecherin der CDU, Angela Erwin.

Bei den Grünen sind das neben Neubaur, die ein Wirtschaft­s- und Klimaminis­terium vom Zuschnitt ihres Parteikoll­egen und Bundesmini­sters Robert Habeck anstrebt, die beiden Fraktionsv­orsitzende­n Verena Schäffer und Josefine Paul sowie der Verkehrspo­litiker Arndt Klocke und der Umwelt- und Landwirtsc­haftsexper­te Norwich Rüße. Die Neubaur-vertraute Paul könnte Kita-minister Joachim Stamp (FDP) beerben, Rüße ist als Umwelt- und Landwirtsc­haftsminis­ter im Gespräch. Der Fachpoliti­ker Klocke wird für das Verkehrsre­ssort gehandelt, das die Grünen unbedingt gewinnen wollen.

Um die Landesfina­nzen soll sich weiterhin die CDU kümmern. Unschlüssi­g sind sie sich aber in der Partei über die weitere Rolle von Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er. Während die einen seine Arbeit unter dem Radar loben, ätzen andere über die Arbeitsmor­al des Meerbusche­rs. In diesem Zusammenha­ng fällt der Name eines Bundespoli­tikers des Öfteren: Ralph Brinkhaus.

Doch zuerst müssen die Sachfragen gelöst werden. Spätestens bis Freitag, besser schon am Donnerstag, muss das klar sein. Denn am Samstag entscheide­n zwei Parteitage über den Koalitions­vertrag. Und die wollen das knapp 200-seitige Werk wenigstens einmal gründlich lesen, wenn sie schon vorher nichts erfahren haben.

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FOTO: PIERO NIGRO/IMAGO Mona Neubaur (Grüne) und Hendrik Wüst (CDU) beim Auftakt der Sondierung­sgespräche.

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