Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Geld, Personal und eine heiße Kartoffel
Fast geräuschlos haben CDU und Grüne bisher ihre Koalition verhandelt. Zum Schluss hakt es – es geht um Finanzen und Ministerien.
Fast pünktlich um 14 Uhr fährt am Mittwoch die Limousine des geschäftsführenden Ministerpräsidenten und CDU-VERhandlungsführers Hendrik Wüst am Malkasten in Düsseldorf vor. Dort finden derzeit die Abschlussverhandlungen für den Koalitionsvertrag der künftigen schwarz-grünen Nrw-landesregierung statt. Je fünf Personen aus beiden Parteien sollen dem Papier den letzten Schliff geben. Es geht vor allem ums Geld – und um die Zuschnitte der künftigen Ministerien. Kompetenzfragen sind Machtfragen. Entsprechend heftig wird also um die noch offenen Punkte gerungen, auch wenn es aus Verhandlungskreisen heißt, es gehe nur noch „um einzelne Detailfragen“.
Die Chefin der Grünen, Mona Neubaur, hatte sich schon eine halbe Stunde vorher eingefunden. Gut versorgt vom Catering des Malkastens ging es im Verhandlungssaal im ersten Stock rasch zur Sache. Ursprünglich war der Plan, den Koalitionsvertrag schon am Mittwoch der Öffentlichkeit zu präsentieren, denn die elf Arbeitsgruppen haben ihre Aufgabe erfüllt. Doch die Zehnergruppe tut sich schwerer als erwartet mit den noch offenen Fragen.
Klar ist bereits, dass die Grünen mit einem Ergebnis von 18,2 Prozent mehr Posten beanspruchen werden als die FDP. Für Gemurre an der Cdu-parteibasis sorgt die Zahl fünf. Sollten die Grünen tatsächlich zwei Ministerien mehr bekommen, sieht so mancher in der Union das als Übervorteilung. „Wir sollten da schon die Kirche im Dorf lassen“, sagte ein Spitzenpolitiker des Landesverbands unserer Redaktion.
Die Grünen sehen sich dagegen in einer starken Position. Deshalb gelten vier wichtige Ressorts den Grünen als Minimum. Das Umweltministerium müsse auf jeden Fall dabei sein, auch ein sozialpolitisches wie Gesundheit, Familie oder Migration. Beide Seiten sind trotzdem bemüht, möglichst geräuschlos zu einem Ergebnis zu kommen. Wüst und Neubaur haben den Verhandlungsteams einen strikten Maulkorb verpasst: Wer quatscht, fliegt. Mit anderen Worten: Der oder die hat in der künftigen Regierung nichts zu melden.
Trotzdem wird um die Posten schon jetzt gefeilscht. Zur heißen Kartoffel entwickelt sich das Schulministerium. Die CDU verbrannte sich daran in der Ära von Jürgen Rüttgers mit Barbara Sommer schon genauso die Finger wie die Grünen im Kabinett von Hannelore Kraft (SPD) mit Sylvia Löhrmann. Das letzte abschreckende Beispiel lieferte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Die Junge Union dringt darauf, die CDU müsse das Ressort für sich beanspruchen. Das gilt derzeit auch als sehr wahrscheinlich. Es wäre zugleich die Chance, dass ein Mann, der derzeit mehr im Hintergrund agiert, in die erste Reihe aufrücken könnte: Nathanael Liminski hatte bereits mit seiner Kandidatur für ein Landtagsmandat signalisiert, dass er künftig auch öffentlich in der Landespolitik mitmischen will.
Auch auf die Gefahr hin, dass ihm der Vorwurf gemacht werden könnte, er halte zu sehr an Laschets Leuten fest, gilt als sicher, dass Wüst seine beiden beliebtesten Kabinettsmitglieder, Innenminister Herbert Reul und Gesundheitsminister Karl-josef Laumann, wieder ins Team holt – und zwar in ihren alten Ressorts. Auch Ina Scharrenbach, die Landesvorsitzende der
Frauen-union und Zweitplatzierte auf der Landesliste, dürfte erneut im Kabinett eine Rolle spielen, auch wenn sie im Machtstreit um die Laschet-nachfolge den Wüst-gegnern zugeordnet wurde. Das Sondierungspapier trug bereits ihre Handschrift. Möglich also, dass sie an selber Stelle weitermacht. Ebenfalls im Kabinett verbleiben dürfte die Cdu-politikerin Ina Brandes, die bislang das Verkehrsressort leitet. Da das aber aller Voraussicht nach von den Grünen besetzt wird, wird die Baumanagerin, die ein Studium der Schriftstellerei absolviert hat, ein anderes Ressort besetzen. Eine weitere CDU-FRAU mit Chancen ist die Troisdorfer Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin Elisabeth Winkelmeier-becker. „Sie ist einfach mal dran“, sagt ein Parteifreund über die frühere Staatssekretärin von Bundeswirtschaftsminister Peter-altmaier. Ebenfalls als ministrabel aufseiten der CDU gelten die Integrationsstaatssekretärin Gonca Türkeli-dehnert sowie die bisherige rechtspolitische Sprecherin der CDU, Angela Erwin.
Bei den Grünen sind das neben Neubaur, die ein Wirtschafts- und Klimaministerium vom Zuschnitt ihres Parteikollegen und Bundesministers Robert Habeck anstrebt, die beiden Fraktionsvorsitzenden Verena Schäffer und Josefine Paul sowie der Verkehrspolitiker Arndt Klocke und der Umwelt- und Landwirtschaftsexperte Norwich Rüße. Die Neubaur-vertraute Paul könnte Kita-minister Joachim Stamp (FDP) beerben, Rüße ist als Umwelt- und Landwirtschaftsminister im Gespräch. Der Fachpolitiker Klocke wird für das Verkehrsressort gehandelt, das die Grünen unbedingt gewinnen wollen.
Um die Landesfinanzen soll sich weiterhin die CDU kümmern. Unschlüssig sind sie sich aber in der Partei über die weitere Rolle von Finanzminister Lutz Lienenkämper. Während die einen seine Arbeit unter dem Radar loben, ätzen andere über die Arbeitsmoral des Meerbuschers. In diesem Zusammenhang fällt der Name eines Bundespolitikers des Öfteren: Ralph Brinkhaus.
Doch zuerst müssen die Sachfragen gelöst werden. Spätestens bis Freitag, besser schon am Donnerstag, muss das klar sein. Denn am Samstag entscheiden zwei Parteitage über den Koalitionsvertrag. Und die wollen das knapp 200-seitige Werk wenigstens einmal gründlich lesen, wenn sie schon vorher nichts erfahren haben.