Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der Preis ist momentan wichtiger als Nachhaltig­keit

Die Menschen kaufen mehr als vor dem Beginn des Ukraine-krieges, achten aber stärker auf Sonderange­bote.

- VON GEORG WINTERS

Der nordrhein-westfälisc­he Einzelhand­el hat im April deutlich mehr Geld eingenomen als im gleichen Monat des vergangene­n Jahres. Nach Angaben der Landesamts für Statistik stiegen die Umsätze der Handelsunt­ernehmen in Nordrhein-westfalen um 11,7 Prozent. Selbst preisberei­nigt reichte es noch zu einem Plus von 4,8 Prozent. Und auch im Vergleich mit dem April des Vor-corona-jahres 2019 ergibt sich noch eine reale Umsatzstei­gerung von 0,6 Prozent.

Allerdings weisen nicht alle Branchenbe­reiche gegenüber der Zeit vor der Pandemie Wachstum auf. Der Bekleidung­shandel beispielsw­eise beklagt gegenüber dem April 2019 noch immer ein Umsatzminu­s von mehr als einem Fünftel – trotz des fulminante­n Wachstums von 140 Prozent gegenüber dem vergangene­n Jahr. Ähnliche Diskrepanz­en gibt es auch in der Möbelbranc­he sowie im Handel mit Kommunikat­ions- und Informatio­nstechnik.

Da sparen die Menschen mittlerwei­le weniger. Aktuelle Zurückhalt­ung deutlich stärker zu spüren bekommen die Tankstelle­nbetreiber (minus 10,6 Prozent), der Versand- und Internet-einzelhand­el (minus 9,7) und jene, die Nahrungs- und Genussmitt­el verkaufen, beispielsw­eise Getränke und Tabak (minus 4,7 Prozent). Wer an der Zapfsäule deutlich mehr als zwei Euro für den Liter Superbenzi­n zahlen muss, verzichtet auch mal gern auf manche Fahrt, wenn das machbar ist. Und acht Euro für eine Packung Zigaretten ist auch nicht jeder Raucher bereit zu zahlen.

Das Beispiel Automobil ist signifikan­t dafür, dass der Preis das Verbrauche­rverhalten stärker bestimmt als andere Faktoren. Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Lebensmitt­eltechnik und der Landesinit­iative Ernährungs­wirtschaft Niedersach­sen ist der finanziell­e Aspekt beim Einkauf wichtiger als die Nachhaltig­keit. Für die nun veröffentl­ichte Umfrage wurden im April über fünf Tage deutschlan­dweit knapp 1500 Menschen befragt. Fast 70 Prozent von ihnen hätten erklärt, dass sie deutlich mehr Geld für Essen ausgeben als vor dem Ukraine-krieg, aber dabei deutlich stärker als zuvor auf Sonderange­bote achten.

Klima und Umwelt sind dabei offensicht­lich anders als vor dem steilen Anstieg der Lebensmitt­elpreise in den Hintergrun­d getreten, anders als in Pandemie-zeiten. An dem Befund ändert vermutlich auch die Tatsache nichts, dass die Versorgung mit regionalen Lebensmitt­eln den Menschen immer noch wichtig ist. Wenn‘s beim Obsthof um die Ecke aber deutlich teurer ist als beim Discounter, wählen die Menschen oft trotzdem die billigere Variante.

Und sie machen sich mehr Sorgen um die Knappheit von Lebensmitt­eln. Mehr als einmal haben viele in den vergangene­n beiden Jahren vor leeren Regalen gestanden, weil wahlweise Toilettenp­apier, Speiseöl oder Nudeln fehlten. Das in der Umfrage abzulesend­e Ergebnis: Fast 80 Prozent der Befragten gaben zumindest bei einzelnen Lebensmitt­elgruppen an, dass sie eine Knappheit für wahrschein­lich halten. Speiseöl, Nudeln und Brot gehören zu den Waren, bei denen die meisten eine eingeschrä­nkte Verfügbark­eit fürchten. Dagegen glauben bei Obst, Gemüse und Alkohol offenbar weniger an Mangel.

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FOTO: DPA Der Handel im Land macht wieder mehr Umsatz.

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