Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Angenehm ideologiefrei
Die künftigen Koalitionspartner in NRW haben zueinandergefunden und in kürzester Zeit ihren „Zukunftsvertrag“vorgelegt. CDU und Grüne betonen die Gemeinsamkeiten, Hendrik Wüst und Mona Neubaur scheinen gut miteinander zu können. Auch wer andere Parteien oder gar nicht gewählt hat, kann das anerkennen.
Der Koalitionsvertrag selbst liest sich angenehm ideologiefrei. Die einst erbittert ausgetragenen Konflikte in der Schulpolitik, beim Verkehr, in der Landwirtschaft oder in der inneren Sicherheit sind bis auf Weiteres befriedet. Die 146 Seiten legen nichts fest, was sich nicht schon in dem zwölfseitigen Sondierungspapier andeutete. Weiterhin wird der Kohleausstieg bis 2030 angestrebt, zugleich aber den neuen Realitäten Rechnung getragen: „Bis zum Ausstieg wird die Braunkohle dazu angesichts des Ukrainekrieges ihren Beitrag leisten.“Der notwendige energiepolitische Spagat, der vor allem den Grünen schwerfallen muss, gehört zum erklärten Programm.
Es ist eine der wenigen Formulierungen, die zeigt, wie sehr die aktuelle Lage Vorbehalte erfordert. Steigende Zinsen, Inflation, eine unsichere Energieversorgung und die unberechenbare Pandemie werden die Arbeit der Landesregierung prägen. Nicht alles wird sich erreichen lassen, auch besteht ein Missverhältnis zwischen den ehrgeizigen Zielen – etwa, die erste klimaneutrale Industrieregion Europas zu sein – und den doch vagen Vorgaben für den Weg dahin.
Der einvernehmliche, vertrauensvolle Start lässt hoffen, tut aber auch Not: Denn nur 30 Prozent der Wahlberechtigten haben CDU oder Grünen ihre Stimme gegeben. Es braucht gute Politik, damit die Wahlbeteiligung beim nächsten Mal über den Tiefpunkt von 55,5 Prozent steigt. Diese Koalition muss nicht nur ihre eigenen Ziele erreichen, sondern durch ihre Arbeit auch den Rückhalt für die Demokratie stärken.