Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Das plant Schwarz-grün bis 2027
Die Koalition hat klare Pläne für den klimagerechten Umbau des Landes. Sie will mehr Tempo bei der Digitalisierung und eine bessere Schule.
Bereichen ist das erklärte Ziel der neuen Koalition. Die Digitalisierung gilt als großes Querschnittsressort, das bei der Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft, im Verkehr, aber auch im Mittelstand, bei Dienstleistungen und in der staatlichen Verwaltung die Prozesse bestimmen soll. Insgesamt 67 Mal erscheint es im Koalitionsvertrag und ist damit einer der wichtigsten Begriffe im Einigungswerk der beiden Parteien. Nicht zuletzt in der Schule und in Universitäten soll ein neues digitales Kapitel aufgeschlagen werden. Allerdings erschöpft sich der Aufbruch in Absichtserklärungen und vielen Allgemeinplätzen.
Verkehr, Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft Das wird das zweite „Superressort“der Grünen. In diesen Infrastrukturbereichen wollen sie den Weg zur Klimaneutralität beschleunigen. Im klassischen Umweltschutz setzen die Grünen auf die bekannten Instrumente wie eine Verringerung der Emissionen, einen besseren Artenschutz (bei Einschränkungen zugunsten von Windrädern) sowie stärkeren Restriktionen im Flächenverbrauch. Ein Schwerpunkt gilt dem Hochwasserschutz. Außerdem ist ein zweiter Nationalpark für NRW geplant. In der Landwirtschaft spricht sich die neue Koalition für ein Verbot von Lebendtier-transporten in Nicht-eu-länder aus und weitere Maßnahmen in Richtung einer nachhaltigen Agrarwirtschaft und artgerechten Tierhaltung. Zum größten Streitthema der Region, dem Kapazitätsausbau des Flughafens Düsseldorf, hält der Koalitionsvertrag eine Genehmigung des seit Jahren vorliegenden Antrages für „möglich“, allerdings nur unter „vollständiger Berücksichtigung des Angerlandvergleichs“. Werner Kindsmüller, Sprecher der Bürgerinitiative Kaarster gegen Fluglärm, meint: „Das klingt eher nach Genehmigung. Im Wahlkampf haben sich die Grünen noch anders geäußert.“Der Angerlandvergleich sei sowieso geltendes Recht, beinhaltet unter anderem ein Verbot, vor sechs Uhr früh zu starten.
Der Koalitionsvertrag legt aber auch fest, eine Ausweitung von Nachtflügen in Düsseldorf sei „ausgeschlossen“, das Nachtflugverbot müsse streng angewendet werden.
Der Takt der S-bahnen in NRW soll allgemein auf einen Zug alle 15 Minuten in den Kernzeiten ausgebaut werden, für Regionalzüge soll ein Mindesttakt von 30 Minuten „auf den Hauptachsen“gelten.
Während die Grünen den Bau fast jeder neuen Straße stoppen wollten, soll nun im Detail geprüft werden: Sanierung habe Vorrang vor Neubau, heißt es. Es wird festgehalten, dass Ortsumgehungen für die betroffenen Menschen eine gute Sache sein können, weil die Lebensqualität steige.
Schule und Bildung Der sogenannte Schulfrieden wird nicht infrage gestellt. Strukturdiskussionen fallen also aus. Das Thema soll nach Informationen unserer Redaktion dennoch extrem kontrovers diskutiert worden sein. So sollen die Grünen darauf gedrängt haben, erzwungene Schulformwechsel ganz abzuschaffen. Im Vertrag steht nun noch drin, dass diese „auf das pädagogisch notwendige Maß“reduziert werden sollen.
Bei der Finanzausstattung der Schulen vor Ort hatte sich SchwarzGrün schon vor den Koalitionsverhandlungen zu einem schulscharfen Sozialindex bekannt. Schulen in sozialen Brennpunkten sollen bei der Mittelausstattung bessergestellt werden.
Die umstrittene Lernplattform Logineo soll einem „ZukunftsCheck“unterzogen werden – also auf den Prüfstand. Der teils als extrem kompliziert kritisierte Mittelabruf für Digital-förderprogramme soll vereinfacht werden. Als Lehre aus der Coronapandemie heißt es, Schulen sollten auf mögliche neue Krisensituationen vorbereitet sein und Orientierung haben, welche Maßnahmen sie bei welchen Szenarien ergreifen müssten. Für den Offenen Ganztag kündigten die Koalitionäre eine Fachkräfte- und Qualitätsoffensive an.
Innere Sicherheit Nach Bekanntwerden der massiven Missbrauchsfälle in der vergangenen Legislaturperiode hatte Herbert Reul den Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorangetrieben und ins Zentrum seines Wirkens gestellt. Dabei wird es bleiben. Die Ermittler sollen personell und finanziell gestärkt werden. Künstliche Intelligenz soll stärker zum Einsatz kommen. Hatte die CDU sich zuvor stets ihrer Null-toleranz gegen Clans gerühmt, tauchte dieser Begriff überraschenderweise im Sondierungspapier nicht mehr auf. In den Koalitionsvertrag schaffte er es im Kapitel über Organisierte Kriminalität dann doch, aber versehen mit einem Arbeitsauftrag: „Wir schaffen eine für die Erfassung der Straftaten maßgebliche, einheitliche polizeiliche und justizielle Definition zur Clan-kriminalität, ohne Personen unter Generalverdacht zu stellen.“
Die Grünen haben zudem durchgesetzt, dass der Einsatz von Elektroschockern bis 2024 unabhängig, wissenschaftlich und ergebnisoffen evaluiert wird. Ausdrücklich hält der Koalitionsvertrag fest, dass Rechtsextremismus „derzeit die größte Gefahr für unsere Demokratie“ist. Antworten darauf: ein Lagebild Rechtsextremismus, eine Dunkelfeldstudie und ein Nrw-monitor. Als Gefahren genannt werden aber auch der Salafismus und der Linksextremismus. Als Lehre aus der Flutkatastrophe soll der Katastrophenschutz zu einem weiteren Schwerpunkt der Innenpolitik werden. Das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz wird reformiert. Zukünftig soll das Land den landesweiten Katastrophenfall ausrufen können. Zudem wird eine neue zentrale Landesstelle für den Katastrophenschutz im Innenministerium geschaffen. Die Zahl der Katastrophenübungen in den Kommunen wird erhöht.
Justiz Das Justizsystem in Nordrhein-westfalen soll durch eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung entlastet werden. Aber auch dadurch, dass beispielsweise Haftstrafen bei wiederholtem Fahren ohne Fahrschein vermieden werden. „Hierzu werden wir Maßnahmen prüfen, wie diese Strafbarkeiten vermieden werden können, und dazu auch die Unterstützung der Verkehrsverbünde suchen.“
Arbeit, Gesundheit, Soziales Über allem schwebt immer noch die CoronaPandemie. Die Koalitionäre versprechen, die öffentlichen Impfstrukturen hochflexibel, aufwuchsfähig und aufsuchend auszugestalten. Zuletzt gab es mit dem Bund Streit um die Bürgertests. Im Vertrag heißt es deshalb: „Auf der Basis der Bundesvorgaben werden wir ein anpassungsfähiges Testkonzept erstellen und umsetzen.“Vulnerable Einrichtungen will das Land künftig bei Hygiene- und Schutzmaßnahmen stärker unterstützen.
Doch jenseits von Corona gibt es genügend Baustellen. Karl-josef Laumann (CDU) hatte in der abgelaufenen Legislaturperioden noch einen Krankenhausplan erarbeitet. Dieser soll zügig umgesetzt werden. Nicht jedes Krankenhaus soll künftig jede Leistung anbieten, dennoch eine Grundversorgung auch auf dem Land flächendeckend zur Verfügung stehen. Die Landarztquote wird ausgebaut. Zudem soll die Zahl von Studienplätzen für Medizin um 20 Prozent weiter erhöht werden. Pflegekräfte aus Nicht-eu-ländern bekommen auch weiterhin ein Begrüßungsgeld in Höhe von einmalig maximal 3000 Euro.
Familie, Gleichberechtigung, Integration Das dritte Kita-jahr vor der Einschulung in ganz NRW wird beitragsfrei. „Wir streben eine kostenfreie Verpflegung in Kitas an und werden Eltern schrittweise einkommensabhängig von Essensgeldern entlasten“, heißt es zudem. Um mit dem Erzieherinnen-mangel umzugehen, wird das Alltagshelferprogramm in den Kitas verlängert. Bereits im Sondierungspapier enthalten war die Herabsetzung des Wahlalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre. Neu ist dagegen, dass auch das Mindestalter für sachkundige Bürger auf 16 gesenkt werden soll. Den Anteil von Frauen in den Parlamenten wollen Schwarze und Grüne durch eine verfassungsmäßige Änderung des Wahlrechts erhöhen.
Beim Thema Asyl und Flucht ist geplant, die ausländischen Berufsund Bildungsabschlüsse schneller und einfacher anzuerkennen und verstärkt ausländische Fachkräfte zu gewinnen. „Insbesondere wollen wir kleine und mittlere Unternehmen bei der Anwerbung und Beschäftigung von ausländischen Arbeits- und Fachkräften begleiten.“
Da, wo ein Asylantrag abgelehnt wurde, müsse die Ausreise durch eine freiwillige Rückkehr oder eine Rückführung erfolgen. „Priorität hat für uns die konsequente und rechtmäßige Abschiebung von Straftätern und Gefährdern.“
Kultur, Wissenschaft und Hochschulen Der Etat für Kultur soll schrittweise um 50 Prozent steigen. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist es, die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung durch den Deutschen Qualifikationsrahmen herzustellen. Garantien gibt es auch für die Finanzierung der Hochschulen. Im Koalitionsvertrag steht: „Wir sorgen mit einer verlässlichen Umsetzung des Zukunftsvertrags ‚Studium und Lehre stärken‘ und der Hochschulvereinbarung 2026 sowie einer dynamisierten Grundfinanzierung dafür, dass die finanziellen Grundlagen für mehr Dauerstellen vorhanden sind.“Im Bereich Forschung soll NRW zu einem Spitzenstandort bei Künstlicher Intelligenz, Quantentechnologie, Cybersicherheit und Data Science ausgebaut werden. Dort sollen auch neue Professorenstellen entstehen.
Bauen und Wohnen Die neue Koalition will das ökologische und klimagerechte Bauen fördern. Der öffentliche Wohnungsbau soll auf seinem bisherigen Niveau fortgeführt werden. Bis 2027 sollen 45.000 öffentlich geförderte Mietwohnungen entstehen.