Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Value Investing vor der Rückkehr
Beim Value Investing konzentrieren sich die Anleger auf den sogenannten inneren Wert von Unternehmen. Sie spekulieren nicht auf künftige Gewinne und besondere Wachstumsgeschichten. Jetzt steht dieser Anlagestil vor einer Renaissance.
Apple, Microsoft, Netflix, Tesla und, und, und: Diese Technologieunternehmen haben sich nicht nur durch ihre beständigen Innovationen einen Namen gemacht. Auch an der Börse waren die sogenannten „Big Techs“echte Stars. Tesla beispielsweise hat in drei Jahren fast 2150 Prozent zugelegt, Apple immer noch mehr als 260 Prozent, Microsoft knapp 140 Prozent. Ohne die weitreichenden Korrekturen seit Jahresanfang vor allem im Zuge des Kriegs in der Ukraine und der Unsicherheiten bei Zins und Inflation wäre es deutlich mehr.
Diese Growth-aktien, also Wertpapiere von Unternehmen, deren Wachstumsrate deutlich über dem Durchschnitt im Branchenvergleich liegt, waren in den vergangenen Jahren die Heilsbringer für viele Portfolien.
Nun zieht langsam, aber sicher ein Trendwechsel am Horizont auf, der sich schon länger angedeutet hat. „Die Attraktivität von Growth-aktien hat verloren, weil Anleger vielfach nicht mehr bereit sind, die hohen Bewertungen aufgrund von Mutmaßungen über den künftigen Erfolg zu zahlen, der allein auf dem Wachstum der Vergangenheit beruht. Zumal viele Growth-investoren der Marktentwicklung oftmals hinterherlaufen, weil sie erst dann einsteigen, wenn es bereits gut läuft. Dann ist es aber in der Regel zu spät, um langfristig gute Ergebnisse zu erzielen“, meint Goran Vasiljevic, Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von Lingohr & Partner aus Erkrath bei Düsseldorf. Der unabhängige Asset Manager ist Spezialist für konsequentes Value Investing in Form von institutionellen Mandaten und Publikumsfonds und einer der deutschen Vorreiter in diesem Bereich.
Daher sieht Goran Vasiljevic das Value Investing nach fast einem Jahrzehnt Dürre, wie er sagt, wieder im Fokus. „Die Liste der Growth-unternehmen, die enttäuschen, wächst drastisch, weil die Ergebnisse nicht mit den hohen Bewertungen Schritt halten.
Beim Value Investing hingegen suchen Anleger und Manager genau die Titel, die ihrer Meinung nach vom Aktienmarkt unterbewertet sind. Sie glauben, dass der Markt auf gute und schlechte Nachrichten überreagiert, was zu Kursbewegungen führt, die nicht mit den langfristigen Fundamentaldaten eines Unternehmens übereinstimmen.“Diese Überreaktion biete eine Gelegenheit, durch den Kauf von Aktien zu einem reduzierten Preis zu profitieren. Schließlich gelte der günstige Einstieg als der erste Schritt zu mehr Rendite. Das Lingohr & Partner-portfoliomanagement konzentriert sich vor allem auf die Werte, die einen stetigen Cashflow als Zeichen ihrer nachhaltigen Stärke produzieren.
Value-orientierte Anleger bräuchten den Mut, antizyklisch anzulegen und in das zu investieren, was heute das Beste ist, nicht in das, was das Beste war. Es sei laut Goran Vasiljevic die wichtigste Aufgabe eines aktiven Managers, zwischen den Fundamentaldaten eines Unternehmens und den vorweggenommenen Erwartungen des aktuellen Aktienkurses zu unterscheiden. So entstehe ein nachhaltiger Investmenterfolg mit einer viel geringeren Anfälligkeit für schmerzhafte Korrekturen.
Warren Buffett, Benjamin Graham, David Dodd, Charlie Munger und andere Starinvestoren haben über viele Jahrzehnte hinweg bewiesen, wie erfolgreich Value Investing sein kann. So sagte Warren Buffett:
„Fragen Sie nicht nach dem Preis, den Sie für ein Unternehmen zahlen, sondern nach dem Wert, den Sie für Ihr Geld bekommen.“
Das bedeutet: „Der Aktienkurs eines Unternehmens kann sich ändern, während der Wert des Unternehmens an sich stabil bleibt. Es existieren bei Aktien eben immer Phasen mit höherer und niedrigerer Nachfrage, was zu Preisschwankungen führt. Daher ist die langfristige Orientierung beim Value Investing besonders wichtig“, betont der Stuttgarter Vermögensverwalter Christian Hintz.
Er ist zwar weiterhin auch Verfechter von Technologiewerten, hat aber bereits in seiner Fonds-vermögensverwaltung eine behutsame Rotation zu Value-fonds eingeleitet und sagt: „Value Investing wird definitiv zurückkommen. Die Anzeichen sind sehr deutlich, dass dieser Anlagestil zunehmend an Attraktivität gewinnt. Anleger sollten sich daher frühzeitig mit Value befassen, um einen frühen Einstieg zu schaffen und langfristig überdurchschnittlich profitieren zu können.“
Er betont dabei, dass die Hinwendung zu Value Investing nicht bedeutet, Growth Investing zu lassen. „Viele Technologieunternehmen, gerade aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz, weisen neben großem Zukunftspotenzial auch substanzstarke Geschäftsmodelle vor. Damit bleiben gut ausgewählte Technologieaktien weiterhin wichtig und können gemeinsam mit Value-werten einen interessanten Depotbaustein darstellen.“
„Fragen Sie nicht nach dem Preis, den Sie für ein Unternehmen zahlen, sondern nach dem Wert, den Sie für Ihr Geld bekommen“
Auch wenn das Thema im Rahmen der jüngsten geopolitischen Entwicklung etwas in den Hintergrund gerückt ist, wird es für Klimasünder immer enger. So hat die Europäische Union ihre Ambitionen in puncto Co2-ausstoß im vergangenen Jahr noch einmal spürbar nach oben geschraubt. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber den Werten von 1990 um mindestens 55 Prozent sinken, spätestens bis 2050 will die Gemeinschaft Co2-neutral sein. Andere Industrienationen haben ähnliche Ziele verkündet. „Das zentrale Klimaschutzinstrument der EU zur Reduktion der Co2-emissionen ist dabei der Europäische Emissionshandel“, heißt es vom Umweltbundesamt.
Dabei ist das Grundprinzip schnell erklärt: Die Politik legt fest, wie viele Tonnen CO2 von einer Gruppe (zum Beispiel Unternehmen eines bestimmten Industriezweigs) insgesamt ausgestoßen werden dürfen. Wer zu dieser Gruppe gehört und das Klima mit Co2-emissionen anheizt, benötigt nun für jede ausgestoßene Tonne eine Emissionsberechtigung. Diese sogenannten EUAS (European Union Allowance) können die Gruppenmitglieder kaufen und nutzen oder bei geringerem Bedarf weiterverkaufen, beispielsweise über die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig.
Je nach Angebot und Nachfrage bildet sich für die Emissionsrechte dadurch ein bestimmter Preis, der natürlich schwanken kann. Bei der Ausgabe neuer Zertifikate gibt es eine fest definierte Obergrenze, die von Jahr zu Jahr sinkt. Gleichzeitig sollen weitere Sektoren in das System aufgenommen werden. Die Anzahl der Emissionsrechte nimmt also kontinuierlich ab, die Anzahl potenzieller Nachfrager steigt. Aus Sicht der Berenberg Bank dürften die Preise für Co2-emissionsrechte deshalb auch weiter zulegen. Bei einem aktuellen Wert von knapp 80 Euro rechnen die Analysten für Ende 2022 mit 130 Euro pro Tonne, ein Jahr später wären sogar Preise von um die 150 Euro drin. Dabei ist allerdings anzumerken, dass die Prognosen bereits vom Februar dieses Jahres stammen. Über Co2-partizipations-zertifikate können auch Privatanleger an der Preisentwicklung der Emissionsrechte teilhaben. Die von verschiedenen Banken aufgelegten Produkte beziehen sich dabei in der Regel auf die entsprechenden Futures-kontrakte und vollziehen deren Preisentwicklung annähernd eins zu eins nach. Die Futures haben jeweils eine bestimmte Fälligkeit, so dass vor oder zum Ende ihrer Laufzeit in den nächsten Future „gerollt“werden muss. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Rollvorgang in das Partizipations-zertifikat einzupreisen. Die Société Générale (zum Beispiel WKN SD54UU) führt bei ihren Co2-zertifikaten dazu eine Erhöhung des Basispreises durch, während Vontobel ( WKN VX10C0) die Rollthematik über eine Veränderung des Bezugsverhältnisses löst.
Interessierte Anleger sollten sich auf jeden Fall den hohen Preisschwankungen von Co2-emissionsrechten und damit auch der entsprechenden Partizipations-zertifikate bewusst sein.
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