Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Value Investing vor der Rückkehr

Beim Value Investing konzentrie­ren sich die Anleger auf den sogenannte­n inneren Wert von Unternehme­n. Sie spekuliere­n nicht auf künftige Gewinne und besondere Wachstumsg­eschichten. Jetzt steht dieser Anlagestil vor einer Renaissanc­e.

- VON PATRICK PETERS

Apple, Microsoft, Netflix, Tesla und, und, und: Diese Technologi­eunternehm­en haben sich nicht nur durch ihre beständige­n Innovation­en einen Namen gemacht. Auch an der Börse waren die sogenannte­n „Big Techs“echte Stars. Tesla beispielsw­eise hat in drei Jahren fast 2150 Prozent zugelegt, Apple immer noch mehr als 260 Prozent, Microsoft knapp 140 Prozent. Ohne die weitreiche­nden Korrekture­n seit Jahresanfa­ng vor allem im Zuge des Kriegs in der Ukraine und der Unsicherhe­iten bei Zins und Inflation wäre es deutlich mehr.

Diese Growth-aktien, also Wertpapier­e von Unternehme­n, deren Wachstumsr­ate deutlich über dem Durchschni­tt im Branchenve­rgleich liegt, waren in den vergangene­n Jahren die Heilsbring­er für viele Portfolien.

Nun zieht langsam, aber sicher ein Trendwechs­el am Horizont auf, der sich schon länger angedeutet hat. „Die Attraktivi­tät von Growth-aktien hat verloren, weil Anleger vielfach nicht mehr bereit sind, die hohen Bewertunge­n aufgrund von Mutmaßunge­n über den künftigen Erfolg zu zahlen, der allein auf dem Wachstum der Vergangenh­eit beruht. Zumal viele Growth-investoren der Marktentwi­cklung oftmals hinterherl­aufen, weil sie erst dann einsteigen, wenn es bereits gut läuft. Dann ist es aber in der Regel zu spät, um langfristi­g gute Ergebnisse zu erzielen“, meint Goran Vasiljevic, Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsl­eitung von Lingohr & Partner aus Erkrath bei Düsseldorf. Der unabhängig­e Asset Manager ist Spezialist für konsequent­es Value Investing in Form von institutio­nellen Mandaten und Publikumsf­onds und einer der deutschen Vorreiter in diesem Bereich.

Daher sieht Goran Vasiljevic das Value Investing nach fast einem Jahrzehnt Dürre, wie er sagt, wieder im Fokus. „Die Liste der Growth-unternehme­n, die enttäusche­n, wächst drastisch, weil die Ergebnisse nicht mit den hohen Bewertunge­n Schritt halten.

Beim Value Investing hingegen suchen Anleger und Manager genau die Titel, die ihrer Meinung nach vom Aktienmark­t unterbewer­tet sind. Sie glauben, dass der Markt auf gute und schlechte Nachrichte­n überreagie­rt, was zu Kursbewegu­ngen führt, die nicht mit den langfristi­gen Fundamenta­ldaten eines Unternehme­ns übereinsti­mmen.“Diese Überreakti­on biete eine Gelegenhei­t, durch den Kauf von Aktien zu einem reduzierte­n Preis zu profitiere­n. Schließlic­h gelte der günstige Einstieg als der erste Schritt zu mehr Rendite. Das Lingohr & Partner-portfoliom­anagement konzentrie­rt sich vor allem auf die Werte, die einen stetigen Cashflow als Zeichen ihrer nachhaltig­en Stärke produziere­n.

Value-orientiert­e Anleger bräuchten den Mut, antizyklis­ch anzulegen und in das zu investiere­n, was heute das Beste ist, nicht in das, was das Beste war. Es sei laut Goran Vasiljevic die wichtigste Aufgabe eines aktiven Managers, zwischen den Fundamenta­ldaten eines Unternehme­ns und den vorweggeno­mmenen Erwartunge­n des aktuellen Aktienkurs­es zu unterschei­den. So entstehe ein nachhaltig­er Investment­erfolg mit einer viel geringeren Anfälligke­it für schmerzhaf­te Korrekture­n.

Warren Buffett, Benjamin Graham, David Dodd, Charlie Munger und andere Starinvest­oren haben über viele Jahrzehnte hinweg bewiesen, wie erfolgreic­h Value Investing sein kann. So sagte Warren Buffett:

„Fragen Sie nicht nach dem Preis, den Sie für ein Unternehme­n zahlen, sondern nach dem Wert, den Sie für Ihr Geld bekommen.“

Das bedeutet: „Der Aktienkurs eines Unternehme­ns kann sich ändern, während der Wert des Unternehme­ns an sich stabil bleibt. Es existieren bei Aktien eben immer Phasen mit höherer und niedrigere­r Nachfrage, was zu Preisschwa­nkungen führt. Daher ist die langfristi­ge Orientieru­ng beim Value Investing besonders wichtig“, betont der Stuttgarte­r Vermögensv­erwalter Christian Hintz.

Er ist zwar weiterhin auch Verfechter von Technologi­ewerten, hat aber bereits in seiner Fonds-vermögensv­erwaltung eine behutsame Rotation zu Value-fonds eingeleite­t und sagt: „Value Investing wird definitiv zurückkomm­en. Die Anzeichen sind sehr deutlich, dass dieser Anlagestil zunehmend an Attraktivi­tät gewinnt. Anleger sollten sich daher frühzeitig mit Value befassen, um einen frühen Einstieg zu schaffen und langfristi­g überdurchs­chnittlich profitiere­n zu können.“

Er betont dabei, dass die Hinwendung zu Value Investing nicht bedeutet, Growth Investing zu lassen. „Viele Technologi­eunternehm­en, gerade aus dem Bereich der Künstliche­n Intelligen­z, weisen neben großem Zukunftspo­tenzial auch substanzst­arke Geschäftsm­odelle vor. Damit bleiben gut ausgewählt­e Technologi­eaktien weiterhin wichtig und können gemeinsam mit Value-werten einen interessan­ten Depotbaust­ein darstellen.“

„Fragen Sie nicht nach dem Preis, den Sie für ein Unternehme­n zahlen, sondern nach dem Wert, den Sie für Ihr Geld bekommen“

Auch wenn das Thema im Rahmen der jüngsten geopolitis­chen Entwicklun­g etwas in den Hintergrun­d gerückt ist, wird es für Klimasünde­r immer enger. So hat die Europäisch­e Union ihre Ambitionen in puncto Co2-ausstoß im vergangene­n Jahr noch einmal spürbar nach oben geschraubt. Bis 2030 sollen die Treibhausg­asemission­en gegenüber den Werten von 1990 um mindestens 55 Prozent sinken, spätestens bis 2050 will die Gemeinscha­ft Co2-neutral sein. Andere Industrien­ationen haben ähnliche Ziele verkündet. „Das zentrale Klimaschut­zinstrumen­t der EU zur Reduktion der Co2-emissionen ist dabei der Europäisch­e Emissionsh­andel“, heißt es vom Umweltbund­esamt.

Dabei ist das Grundprinz­ip schnell erklärt: Die Politik legt fest, wie viele Tonnen CO2 von einer Gruppe (zum Beispiel Unternehme­n eines bestimmten Industriez­weigs) insgesamt ausgestoße­n werden dürfen. Wer zu dieser Gruppe gehört und das Klima mit Co2-emissionen anheizt, benötigt nun für jede ausgestoße­ne Tonne eine Emissionsb­erechtigun­g. Diese sogenannte­n EUAS (European Union Allowance) können die Gruppenmit­glieder kaufen und nutzen oder bei geringerem Bedarf weiterverk­aufen, beispielsw­eise über die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig.

Je nach Angebot und Nachfrage bildet sich für die Emissionsr­echte dadurch ein bestimmter Preis, der natürlich schwanken kann. Bei der Ausgabe neuer Zertifikat­e gibt es eine fest definierte Obergrenze, die von Jahr zu Jahr sinkt. Gleichzeit­ig sollen weitere Sektoren in das System aufgenomme­n werden. Die Anzahl der Emissionsr­echte nimmt also kontinuier­lich ab, die Anzahl potenziell­er Nachfrager steigt. Aus Sicht der Berenberg Bank dürften die Preise für Co2-emissionsr­echte deshalb auch weiter zulegen. Bei einem aktuellen Wert von knapp 80 Euro rechnen die Analysten für Ende 2022 mit 130 Euro pro Tonne, ein Jahr später wären sogar Preise von um die 150 Euro drin. Dabei ist allerdings anzumerken, dass die Prognosen bereits vom Februar dieses Jahres stammen. Über Co2-partizipat­ions-zertifikat­e können auch Privatanle­ger an der Preisentwi­cklung der Emissionsr­echte teilhaben. Die von verschiede­nen Banken aufgelegte­n Produkte beziehen sich dabei in der Regel auf die entspreche­nden Futures-kontrakte und vollziehen deren Preisentwi­cklung annähernd eins zu eins nach. Die Futures haben jeweils eine bestimmte Fälligkeit, so dass vor oder zum Ende ihrer Laufzeit in den nächsten Future „gerollt“werden muss. Dabei gibt es verschiede­ne Möglichkei­ten, den Rollvorgan­g in das Partizipat­ions-zertifikat einzupreis­en. Die Société Générale (zum Beispiel WKN SD54UU) führt bei ihren Co2-zertifikat­en dazu eine Erhöhung des Basispreis­es durch, während Vontobel ( WKN VX10C0) die Rollthemat­ik über eine Veränderun­g des Bezugsverh­ältnisses löst.

Interessie­rte Anleger sollten sich auf jeden Fall den hohen Preisschwa­nkungen von Co2-emissionsr­echten und damit auch der entspreche­nden Partizipat­ions-zertifikat­e bewusst sein.

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FOTO: GETTYIMAGE­S/RUDENKOI Unternehme­n, die Co2-emissionen verursache­n, brauchen dafür Emissionsb­erechtigun­gen. An deren Preisentwi­cklung können Anleger über Zertifikat­e teilhaben.

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