Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Heizkosten als soziales Problem
Der massive Anstieg des Gaspreises dürfte selbst die Mittelschicht hart treffen.
Der Bundeswirtschaftsminister hat die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Hintergrund ist die deutliche Reduktion der russischen Gaslieferungen über die Ostsee-pipeline Nord Stream 1. Seit zehn Tagen hat Gazprom die Lieferungen um rund 60 Prozent reduziert. Der Gaspreis hat daraufhin noch einmal um rund 50 Prozent zugelegt; er liegt nun bei etwa 130 Euro pro Megawattstunde. Versorger zahlen sechsmal so viel wie vor einem Jahr für die Gas-beschaffung. Sobald die Bundesnetzagentur auch offiziell eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage feststellt, werden auf Gaskunden massive Preissteigerungen zukommen. Die Versorger dürfen ihre Preise dann mit einem Vorlauf von nur sieben Tagen erhöhen.
Die Lage könnte sich tatsächlich weiter zuspitzen, wenn ab dem 11. Juli Nord Stream 1 turnusgemäß gewartet wird und die Liefermengen auf null sinken. Experten befürchten, dass Russland danach die Lieferungen gar nicht wieder aufnehmen wird. Am 8. Juli soll daher das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz den Bundesrat passieren, sodass ab dem 9. Juli Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen können. So soll bei der Stromerzeugung der Gaseinsatz gedrosselt werden. Ob aber so schnell genug Kohle beschafft werden kann, ist fraglich. Weitere Preissteigerungen beim Gas sind dann unvermeidlich, weil viele Gasversorger in Konkurs gingen, wenn sie die drastisch gestiegenen Beschaffungskosten nicht durchreichen dürften. Zudem stiften höhere Preise auch
Anreize zum Energiesparen, wenn in zwölf Wochen die Heizperiode beginnt. Für viele Haushalte werden die Heizkosten damit aber um mehrere Tausend Euro pro Jahr steigen. Das ist selbst für die sogenannte Mittelklasse nicht einfach zu verkraften. Also braucht es auch einen sozialen Ausgleich. Dieser sollte aber mit klaren Anreizen zum Energiesparen verbunden werden, etwa durch Prämien für alle, die ihren Gasverbrauch unter das Vorjahresniveau senken können. Es ist zwar spät, aber nicht zu spät, ein solches Programm aufzulegen.
Unser Autor ist Professor für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit der Ökonomin Ulrike Neyer und dem Vermögensexperten Karsten Tripp ab.