Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mehr als nur ein Wochenend-papa

Im Kreis Wesel ist die Zahl der Väter, die Elterngeld beziehen, rückläufig. Das hat mehrere Gründe.

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(acf) Eins vorweg: Im vergangene­n Jahr haben mehr Babys im Kreis Wesel das Licht der Welt erblickt als noch im Jahr zuvor. Das zeigen kürzlich veröffentl­ichte Zahlen des statistisc­hen Landesamts IT NRW. Weitere Daten – das statistisc­he Landesamt verweist hier auf Ergebnisse der Elterngeld­statistik des Statistisc­hen Bundesamte­s, einbezogen wurden das Basiselter­ngeld sowie das Elterngeld Plus – zeigen allerdings auch: Die Rollenvert­eilung bei der Kindererzi­ehung in den ersten Jahren nach der Geburt scheint weiter sehr traditione­ll zu bleiben. Während Nrw-weit der Anteil der Väter beim Elterngeld leicht gestiegen ist – von 22,9 auf 23,4 Prozent – ist er im Kreis etwas rückläufig: Hier lag der Anteil 2021 bei 22,1 Prozent, ein Jahr zuvor waren es noch 22,2 Prozent.

Für Monika Seibel von der Fachstelle Familie und Beruf im Kreis Wesel geht allein diese Betrachtun­g aber nicht weit genug. Für sie ist nämlich vor allem der Blick auf die durchschni­ttlich geplante Dauer des Bezugs des Elterngeld­es von Vätern interessan­t: Auch diese Zahl ist hier mit 3,8 Monaten leicht rückläufig (2020: 3,9 Monate) – sie liegt ebenfalls unter dem Nrw-schnitt von 4,2 Monaten. Dass Väter ein Jahr zu Hause bleiben, passiert kaum. Wie die Elterngeld­stelle zuletzt mitgeteilt hatte, waren es 2021 nur 3,3 Prozent der Väter, die das Elterngeld für zwölf Monate in Anspruch nahmen.

Und die Gründe dafür sind bekannt: Auch die Rollenvert­eilung im Kreis Wesel sei gesellscha­ftlich immer noch recht traditione­ll, so Seibel. Heißt: Die Frau bleibt mit dem Kind zu Hause, der Mann geht arbeiten. Das sei auch dadurch bedingt, dass Frauen noch immer geringer bezahlt würden. Und somit geht es für Familien zwangsläuf­ig auch um die Frage, auf welches Gehalt sie am besten verzichten könnten. Der dritte Punkt laut Seibel: Männer sorgten sich um die Karriere. Die Ansprechpa­rtnerin bei der Fachstelle des Kreises sagt aber auch: „Die Väter sind auch in einem Konflikt mit der Erwartungs­haltung.“Da fehlten dann die Vorbilder. Monika Seibel benennt an dieser Stelle explizit den Arbeitgebe­r: „Wenn der Vorgesetzt­e Vorbild ist, hat das auch Auswirkung­en auf die Kultur in der Firma.“

Aber auch der Gesetzgebe­r ist gefragt, um für mehr Gleichbere­chtigung zu sorgen. Seibel verweist auf die nordeuropä­ischen Länder. Das hat dann den Vorteil, dass die Frau auch verstärkt auf ihre berufliche Existenz blicken kann. Die Verteilung bei der Elternzeit habe massive Folgen für die Rente der Frau: „Jeder

Monat zählt an dieser Stelle. Es geht um die Existenzsi­cherung.“Seibel sei auch wichtig, dass Elternaufg­aben zu gleichen Teilen gestaltet werden, sodass beide für das gemeinsame Familienei­nkommen Sorge tragen. „Denn hier kann es auch als Entlastung für den Vater empfunden werden, dass nicht er die alleinige bezihungsw­eise vorwiegend­e Verantwort­ung für das Familienei­nkommen zu schultern hat.“

Und noch ein anderer Aspekt ist Seibel als Erziehungs­wissenscha­ftlerin wichtig: die männliche Identifika­tionsfigur. Oft würden Kinder erst in der weiterführ­enden Schule einen männlichen Lehrer haben. Der Vater solle nicht nur der Wochenend-papa sein, die Kinder brauchten den alltäglich­en Vater.

Die Elterngeld­stelle im Kreis Wesel ist zuständig für die Bearbeitun­g der entspreche­nden Anträge aller Eltern, die im Kreis wohnen. Hier gibt es auch Beratung und weitere Infos: www.kreis-wesel.de/de/dienstleis­tungen/elterngeld/.

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FOTO: FIZKES Ein Vater spielt mit seinem Sohn (Symbolbild).

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