Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Tui-chef Fritz Joussen verlässt vorzeitig den Konzern
Es ist ein kleines Déjàvu: Schon einmal warf Fritz Joussen unerwartet hin. Das war, als er im März 2012 seine hoch angesehene Position als Chef von Vodafone Deutschland in Düsseldorf aufgab, weil er lieber ein großes Unternehmen selbstständig alleine führen wollte, statt sich – wie bei Vodafone – immer wieder von der Londoner Konzernzentrale reinreden zu lassen.
Am Freitag hat der 59Jährige nun angekündigt, den Posten als Vorstandschef von Europas größtem Tourismuskonzern Tui Ende September zu räumen. Auf eine gewisse Art hat er dort ein Meisterstück geschafft: Obwohl der Tui ab Beginn der Coronakrise praktisch das ganze Geschäft weggebrochen war, überlebte der Hannoveraner Konzern – auch dank Staatshilfen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro. Da die Buchungszahlen aktuell massiv steigen, sieht Joussen das Ende des Sommers als den richtigen Termin für die Amtsübergabe. Sein langjähriger enger Vertrauter Sebastian Ebel wird neuer Vorstandschef. Joussen: „Nachdem die existenzielle Krise überstanden ist, ist der richtige Zeitpunkt für den Wechsel. Ich freue mich, dass mit Sebastian Ebel ein Vorstandsvorsitzender antreten soll, mit dem mich eine lange und vertrauensvolle Zusammenarbeit verbindet.“
Damit schließen sich gleich einige Kreise. Joussen hatte den von
Tui kommenden Betriebswirt Ebel einst zu Vodafone nach Düsseldorf geholt, doch als er Tuichef wurde, kam der fast gleichaltrige Ebel zurück zum alten Arbeitgeber. Der aus Duisburg stammende Joussen ist lebensfroh und detailversessen, weiß aber auch, seine Interessen zu wahren: Darum ließ er als junger Ingenieur in der Mobilfunkbranche eigene Erfindungen patentieren. Darum nutzt er nun eine ungewöhnliche Regel für seinen Ausstieg: Als der Staat vor zwei Jahren einstieg, hätte Joussen sofort aussteigen können, weil es wegen der Staatshilfe keine Boni mehr geben durfte. Er blieb, um das Unternehmen zu retten, erhielt aber das Recht, bis Juni 2022 zu entscheiden, doch noch zu gehen – zu den regulären Konditionen. Dies verstehen Konzernkenner so, dass der Vater von vier Kindern zwar nicht den bis 2025 laufenden Vertrag ganz ausbezahlt bekommt, aber noch das Gehalt für zwei Jahre.
Die Aktionäre von Tui sind nicht begeistert von der Kündigung; der Wert der Aktie rutschte um mehr als vier Prozent ab. Denn trotz aktuellem Buchungsboom sind die Aussichten wegen der hohen Schulden trübe, der Börsenwert liegt nur noch bei 3,2 Milliarden Euro. Der Stratege Joussen hat aber die Marke Tui massiv gestärkt und den Konzern stark digitalisiert. Aufsichtsratschef Dieter Zetsche sagt: „Die Tui ist heute globaler, effizienter und digitaler als je zuvor. Das ist das Verdienst von Fritz Joussen.“