Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ein großer Sieg des Pragmatismus
Das schwarz-grüne Experiment in Nordrhein-westfalen kann starten. Mit überwältigender Mehrheit haben die beiden Parteitage von CDU und Grünen ihre Zustimmung gegeben. Dass Letztere in Bielefeld lang und emotional über den Koalitionsvertrag diskutierten und die grüne Jugend sogar dagegen stimmte, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide Parteien regieren wollen. Das Tempo und der Ehrgeiz insbesondere bei den Grünen überraschen dann schon, gerade auch weil er zulasten einiger zentraler Programmpunkte dieser Partei ging.
Das muss aber nicht von Nachteil sein. Denn Pragmatismus ist in diesen schwierigen Zeiten das Gebot der Stunde. Natürlich müssen der Klimaschutz vorankommen, die Digitalisierung der Schulen fortschreiten, der Verkehr in NRW weniger stressig und umweltschädlich werden. Aber mit Maximalforderungen ist das nicht zu erreichen – weder bei der Union noch bei den Grünen. Und mit einem detaillierten, bis ins Kleinste ausformulierten Masterplan schon gar nicht.
Die beiden Partner müssen vor allem Geduld und Vertrauen für ihre Aufgabe mitbringen. Die groß angelegten Ziele, etwa Europas erste klimaneutrale Industrieregion zu werden oder die digitale Schule zu verwirklichen, werden nur in mühsamer Kleinarbeit erreicht werden. Zum einen ist der Handlungsspielraum selbst eines so großen Landes wie NordrheinWestfalen erschreckend gering. Zum anderen gilt das Wort des großen Soziologen Max Weber jetzt umso mehr, dass Politik ein „starkes, langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“ist.
Dafür bietet der Koalitionsvertrag ein ordentliches Fundament. Darauf können CDU und Grüne aufbauen, wenn beide Parteien Schwarz-grün zum neuen Modell machen wollen. Und das ist schon etwas.