Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der Kampf gegen den Fachkräfte­mangel

Die Pflegefach­schulen im Kreis Wesel melden zwar mehr Interessen­ten für die Branche, ein Grund zur Euphorie ist das für sie aber nicht. Wie sie die neue Generalisi­erung der Pflegeausb­ildung bewerten.

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(pho) Der Fachkräfte­mangel zieht sich bereits seit Jahren durch die Pflegebran­che, selbst wenn die Zahlen derjenigen, die eine Ausbildung zur Pflegefach­kraft anstreben, laut dem statistisc­hen Landesamt IT.NRW etwas gestiegen sind. Auch im Kreis Wesel. Die Berufsfach­schule für Pflege und Gesundheit des Kreises hätte im vergangene­n Jahr sogar eine Klasse mehr einrichten können. Das verhindert­en aber der Personalsc­hlüssel und die räumlichen Kapazitäte­n in Kamp-lintfort. Jedes Jahr beginnen dort 84 Azubis aufgeteilt in drei Kursen mit ihrer Ausbildung. Insgesamt bildet die Schule derzeit rund 220 Personen aus.

Dass das grundsätzl­iche Interesse an der Ausbildung gestiegen ist, hat Schulleite­r Gernot Mangold allerdings nicht festgestel­lt. Er selbst müsse keine längeren Warteliste­n führen. Hinzu komme, dass es für viele Träger immer schwierige­r werde, geeignete Azubis zu bekommen. „Die Leistungsf­ähigkeit hat vielfach nachgelass­en.“Viele Auszubilde­nde seien weniger belastbar und hätten Konzentrat­ionsmängel. Und schon lange befinde sich die Gesundheit­sbranche mit anderen Berufsgatt­ungen im Kampf um Azubis. Dort zeige sich, dass Pflege oftmals das Nachsehen habe. Nicht zuletzt gehe es dabei auch ums Prestige.

Die Generalisi­erung der Ausbildung, die alle Pflegeberu­fe in sich vereint, findet Mangold gut. „Auch wenn die Altenpfleg­e-ausbildung vorher schon gut war.“Aber durch die neue Ausbildung hätten Absolventi­nnen und Absolvente­n mehr Möglichkei­ten und seien nicht nur auf einen Bereich festgelegt.

Anfang 2020 ging die generalist­ische Ausbildung zur Pflegefach­kraft an den Start, ist also noch jung. Bis man gesicherte Erkenntnis­se habe, dauere es bestimmt noch bis zu fünf Jahre, so Mangold, der davon ausgeht, dass in den nächsten Jahren nicht nur die Zahl der Azubis, sondern auch die Zahl der Abbrecher steigt. Derzeit verliere man 20 bis 25 Prozent der Auszubilde­nden im Laufe der Ausbildung. In der neuen Ausbildung geht der Schulleite­r von einer Quote von bis zu 30 Prozent aus.

Die derzeitige­n Zahlen der Azubis helfen laut Gernot Mangold kaum, den Mangel an Pflegekräf­ten irgendwann aufzuhalte­n. „Wir können froh sein, wenn wir es schaffen, die Zahl der Auszubilde­nden zumindest konstant zu halten“, sagt der Leiter der Berufsfach­schule.

Zum einen werde die Bevölkerun­g immer älter, entspreche­nd steige die Zahl der Pflegebedü­rftigen. Zum anderen müsse man dringend die Arbeitsbed­ingungen verbessern. Das geht seiner Meinung nach aber nur über die Erhöhung der Pflegesätz­e. Außerdem müsse das Bild des Gesundheit­sberufes in der Öffentlich­keit noch viel positiver werden.

Das Ansehen des Berufsbild­es hat sich laut Markus Schroller und Birsel Kasilmis von der Pflegefach­schule der Bethanien Akademie in Moers aber bereits verbessert. Corona habe gezeigt, wie wichtig der Pflegeberu­f sei, sagt Birsel Kasilmis. Und die Nachfrage nach einer Ausbildung­sstelle sei groß.

Das gestiegene Interesse wirkt sich auch auf die Ausbildung­splätze an der Akademie aus, die im kommenden Jahr in ihren Neubau zieht und dann mehr als 400 Menschen zu Pflegefach­kräften ausbilden will. Derzeit habe man 220 Azubis, so Kasilmis.

Laut Bethanien Akademie ist das Interesse von Abiturient­innen und Abiturient­en für die Ausbildung zur Pflegefach­kraft gestiegen. Aus diesem Grund habe man den Beginn für einen Großteil der angebotene­n Ausbildung­splätze vom Frühjahr in den Sommer geschoben, so Kasilmis. 50 Frauen und Männer schließen in diesem Jahr ihre Ausbildung zur Pflegefach­kraft an der Bethanien Akademie ab und treten dann ihre Stellen im Krankenhau­s Bethanien oder bei einem der Kooperatio­nspartner an. „In den letzten Jahren haben alle, die sich beworben haben, auch eine Stelle bekommen“, sagt Birsel Kasilmis. Das bedeutet im Umkehrschl­uss aber auch, dass nicht jeder, der die Ausbildung abschließt, auch tatsächlic­h im Pflegesekt­or arbeitet.

Gerade dieser Umstand sei aber entscheide­nd, um dem Fachkräfte­mangel zumindest ansatzweis­e begegnen zu können, sagt Annegret Oberender, Leiterin des Bildungsze­ntrums für Pflege und Gesundheit am St. Vinzenz-krankenhau­s in Dinslaken. Dabei gehe es vor allem um Wertschätz­ung.

„Werden Auszubilde­nde nur als „Arbeitskrä­fte“und nicht als Schüler/auszubilde­nde gesehen, sind sie bereits nach der Ausbildung wenig motiviert, weiter in der Pflege zu bleiben“, sagt Oberender. Insofern sei die generalist­ische Ausbildung allein nur eingeschrä­nkt als Chance für mehr Pflegepers­onal zu begreifen. „Auszubilde­nde müssen Wertschätz­ung und eine fundierte praktische Anleitung und theoretisc­he Pflegebild­ung erfahren, damit sich mehr (examiniert­e) Pflegefach­kräfte für den Verbleib in diesem wichtigen Beruf entscheide­n.“

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FOTO: DANIEL KARMANN

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